Frieden lernen in Gaza – Zum Internationalen Jahr der Aussöhnung Teil 1 "Die Wahrheit stirbt zuerst"
Frieden lernen in Gaza – Zum Internationalen
Jahr der Aussöhnung
Teil I. Die Wahrheit stirbt zuerst
Man vergisst vielleicht wo man die
Friedenspfeife vergraben hat, aber
niemals wo das Kriegsbeil vergraben liegt. Mark Twain
niemals wo das Kriegsbeil vergraben liegt. Mark Twain
Aktueller Anlass
Nun
ist die stille Weihnachtszeit vorbei. Eigentlich gab es sie ja so gut wie nie
und trotzdem hatten wir uns so schön in ihr eingerichtet. Auch ich – ich gebe
es zu – nutzte diese Zeit am Ende eines jeden Jahres, um Urlaub zu machen und
mich, fern von meiner Alltäglichkeit und den nervenden Nachrichten zu erholen.
Auch
in diesem Winter bezog ich ein kleines Appartement im Algarve und ließ es mir
wohl ergehen. Mein Wohlergehen wurde aber jäh unterbrochen… in dem mir mit der
Wucht medialer Bilder, die Gewalt vor Augen geführt wurde, die seit nunmehr
über achtzehn Tagen in Gaza wütet.
Doch
Vorsicht, Sprache ist kein einfach zu handhabendes Medium. Denn erstens wütet
die Gewalt nicht erst seit achtzehn Tagen in dieser Weltgegend, zweitens ist
Sprache von Interessen geleitet und drittens kann ihre Verwendung sowohl
aufklärend wirken, wie sie auch das Gegenteil davon bewirken kann.
Seit
ich 1982 nur eines dummen Zufalls wegen NICHT in Beirut weilte (die Havarie
einer von mir gebauten Maschine, machte stattdessen meinen Einsatz in Nigeria
notwendig) als israelische Truppen den Libanon angriffen und in Beirut alles
kurz und klein schlugen, interessiere ich mich für das was man gemeinhin
(verharmlosend) den Nahost-Konflikt nennt.
Seit
dieser Zeit – und weil ich mich aus geschichtlichen/politischen/kulturellen Gründen
durchaus auch der Arabischen Welt verbunden fühle – nehme ich Nachrichten aus
der Region gewissermaßen persönlich. Natürlich nehme ich es auch persönlich,
wie jeder klardenkende Mensch, wenn mich jemand betrügen will; wie sollte man
so etwas auch nicht persönlich nehmen. Wenn
ich es noch nachvollziehen kann, dass Nachrichten aus Nahost nicht von jedermann
persönlich genommen werden, so kann ich das für den Betrugsfall keineswegs
verstehen. Was aber ist mit der heutigen Berichterstattung aus Gaza?
Aus
dem vorigen Absatz wird offenbar, dass ich in meinem Urlaub die Berichterstattung
über den jüngsten Krieg in Nahost verfolgte. Natürlich war das auch Thema in
den portugiesischen Medien… da mein Portugiesisch allerdings nicht ausreicht,
um solch komplexe Nachrichten genau zu erfassen, griff ich auf die deutschen
Satelliten-Fernsehprogramme zurück. Es
war und ist erschreckend, was uns da als Nachrichten vorgesetzt wurde (und ich
schreibe dieses Wort im Sinne von Fütterung/Trog/Schweinefraß)! Ohne die
Online-Ausgaben kritischer Zeitungen, hätte man als normaler Medienkonsument
keinerlei Chance auf Information – aber mit hoher Wahrscheinlichkeit, eine hohe
Dosis Desinformation.
Diese
Berichterstattung war es schließlich, die mich veranlasste einem ausführlichen
Artikel über diesen Konflikt zu schreiben, den ich als kleine Serie hier
veröffentlichen möchte; auch um der geneigten Leserschaft alternative
Informationen zugänglich zu machen, damit überhaupt etwas entstehen kann, das
es wert ist eine Meinung genannt zu werden. Aus
deutscher Sicht erscheint mir das deswegen so wichtig, weil in diesem Jahr
Politiker gewählt werden wollen, denen es offenbar nicht so recht um die Sache
des Friedens, als vielmehr um die Sache der Verteidigung der freien
internationalen Handelswege und der ungehinderten Rohstoff-Zufuhr, mit
„robusten Mandaten“ (mit solchen Nebelworten wird heutzutage das Kriegführen
bezeichnet) geht.
Es
ist bestimmt schon oft geschrieben und gesagt worden, dass im Krieg die
Wahrheit als erstes stirbt. Aber es kann nicht oft genug wiederholt werden,
damit man nicht auf eine Propaganda hereinfällt, die lediglich versucht uns vor
einen Karren zu spannen, der so recht nicht unser Karren ist. Ich
jedenfalls verspüre keine Lust, als dukatenkackender Esel die Sache zu
finanzieren und mich dann – wenn’s mal wieder zu nichts anderem führt, als dass
der Karren heillos im Dreck festgefahren ist – auch noch davor spannen zu
lassen, um ihn wieder flott zu bekommen.
Jeder
sollte prüfen, ob er Nutznießer des Krieges ist und wenn das offenbar nicht der
Fall ist, sich an das alte Gedicht von Brecht erinnern: Der kleine Mann wird
gern benutzt / die Karre aus dem Dreck zu ziehen / dann findet man ihn stark
verschmutzt / und fährt weiter ohne ihn.
2.
Berichterstattung der Medien
Einerseits
bin ich natürlich der Auffassung, dass eine ausgewogene Berichterstattung aus
journalistischer Sicht und aus der Sicht der Nachrichtennutzer, die beste Art
der Berichterstattung ist; insofern finde ich, dass die Qualität der
Berichterstattung z.B. in der Nachrichtensendung „Tagesschau“ des Ersten
Deutschen Fernsehens gegenüber den Sendungen der meisten Privatsender haushoch überlegen
ist. Dennoch, wenn diese Ausgewogenheit in einer 15-Minuten-Sendung hergestellt
wird, dann ist das eine zweifelhafte Ausgewogenheit, weil wichtige
Informationen einfach unter den Tisch fallen.
Außerdem
bin ich der Meinung, dass es manchmal eben sein muss, dass Journalisten
Stellung beziehen müssen (wieder so ein militaristischer Kraftausdruck –
Sprache, man muss vorsichtig sein); dann gibt es eben nichts auszuwiegen. So
auch in diesem Fall: Es wird ständig behauptet, Israel lasse täglich Lastwagen
mit Medikamenten und Nahrungsmitteln für die Bevölkerung in den Gazastreifen
hinein und der Krieg richte sich nicht gegen die Menschen, sondern gegen die
Hamas.
Da wird natürlich sehr genau gezielt... und nur Kämpfer getroffen
Da
ist die BBC (es gibt auch diesen britischen Sender über Satellit – und mein
Englisch ist besser als mein Portugiesisch) schon deutlicher: In einem Bericht
auf BBC war deutlich zu erkennen, dass unter den in die Krankenhäuser
eingelieferten Verletzten bislang nur zwei Kämpfer der Hamas waren, aber
Hunderte von verletzten Frauen, Kinder und Unbewaffnete. Die Sterberate sei
extrem hoch, hieß es bei der BBC, weil sie keine Medikamente erhalten. Kein
journalistisches Ruhmesblatt für die „Tagesschau“; aber leider wird hierzulande
Tag für Tag, offenbar flächendeckend in den Medien, einseitig berichtet.
Man
sollte wissen, dass Israel seit dem Beginn der Bombardements am 27. Dezember
Journalisten den Zutritt zum Gazastreifen verweigert. Die Regierung in
Jerusalem nennt vor allem „Sicherheitsgründe“, weshalb es keinen der 350
angereisten Kriegsreporter und 900 in Israel akkreditierten Journalisten in den
Gazastreifen lässt. Das spricht allen Grundsätzen Hohn, nach denen Israelis
selbst leben wollen. Israel will eindeutig die Berichterstattung zu seinen
Gunsten kontrollieren. Eine Klage der Vereinigung der Auslandskorrespondenten vor
dem Obersten Gericht in Israel endete mit dem Vergleich, dass acht Reporter am
Freitag, den 2. Januar, in den Gazastreifen gelassen werden sollten, die
übrigen Medien sollten deren Berichte übernehmen dürfen.
Doch
dann wurde die Grenzöffnung auf Montag, den 5. Januar, verschoben und
schließlich ganz aufgegeben. Ein AP-Korrespondent stellte fest, dass viele
Reporter daher viel Zeit damit verbringen, auf Israel gefeuerte Raketen und den
durch sie entstandenen Schaden zu filmen. Auch deutsche Korrespondenten berichten darüber
und müssen es hinnehmen, dass ihr Bericht von den Moderatoren in der
abendlichen Nachrichtensendung dazu benutzt wird, um Verständnis für die mörderischen
Angriffe der israelischen Armee auf die Bevölkerung von Gaza zu werben.
Es
geht Israel allerdings nicht nur um Informationsblockade, denn es gibt ausländische
Journalisten vor Ort. Die Korrespondenten des Fernsehsenders Al Dschasira, von
Al Arabia und Press TV sowie palästinensische Kollegen verschiedener
Nachrichtenagenturen berichten unter Lebensgefahr über das Geschehen in Gaza. Ihre
Bilder erreichen dank Satellitenübertragung Millionen Fernseh-Zuschauer in
aller Welt, doch deutsche Medien zeigen sie kaum. Funk und Fernsehen berichten
nicht, dass die palästinensischen Opferzahlen in Gaza mehr als hundertmal höher
sind, als die auf israelischer Seite. Man erfährt nicht, dass Israel täglich
aus den USA mit 6,8 Millionen US-Dollar unterstützt wird, während die
palästinensische Administration 0,3 Millionen Dollar erhält.
65
UN-Resolutionen gibt es gegen das Vorgehen Israels und keine gegen das Vorgehen
der Palästinenser. Ein Israeli ist in palästinensischer Gefangenschaft, während
10.756 Palästinenser in israelischer Gefangenschaft sind. Die Palästinenser
haben außerhalb von Kriegshandlungen kein israelisches Haus zerstört, während
Israel (seit 1967) 18.167 Häuser von Palästinensern vernichtete. Zudem hat
Israel 223 illegale Siedlungen in Palästina, während die Palästinenser
Flüchtlinge in ihrem eigenen Land sind.
Aber
anstatt seinen Aufgaben gerecht zu werden, die er dem Titel nach hat, erklärte Daniel
Seaman, Direktors des israelischen Presseamtes, zynisch: Der Ausschluss
westlicher Medien aus dem aktuellen Krieg führe zur Desinformation. Die Hamas
fälsche die Bilder und Berichte aus dem Gazastreifen, um Israel in ein
schlechtes Licht zu rücken. Er bezeichnet die Berichte aus Gaza als
„fragwürdig“.
Das
ist ein gutes Wort… die Bilder sind in der Tat einer Nachfrage würdig. Allerdings
nicht in dem Sinne sie in Zweifel zu ziehen, sondern im Sinne von: Was tut
Israel da eigentlich? Diese Frage wird in der Wirklichkeit deutscher Medien
kaum gestellt, stattdessen wird so artig „ausgewogen“ über den Krieg berichtet,
dass palästinensische oder kriegskritische Stimmen, wie kürzlich die von Jamal Nazzal
(Vertreter der palästinensischen Fatah) nur selten zu hören sind. In einem
Deutschlandfunkinterview kritisierte Nazzal, er habe die Berichterstattung
westlicher Medien über den Krieg in Gaza beobachtet und festgestellt, sie
„könnte ein Teil eines israelischen Informations-Ministeriums sein. Das Motto
westlicher Berichterstattung besteht darin, dass die Hamas eine
Terrororganisation sei.“
Überall
in deutschen Städten regt sich Protest. So fand z.B. am 3. Januar in
Frankfurt/Main eine der größten Friedensdemonstrationen der vergangenen Jahre
statt – aber anstatt darüber zu berichten, verschwiegen die großen Zeitungen
das Ereignis; nicht einmal in der Online-Ausgabe wurde berichtet. Dann wurde es
den Machern offenbar peinlich und so schoben sie einen süffisant-zynischen
Bericht im Lokalteil nach. Zudem wurde der Antikriegsprotest von der
„Frankfurter Rundschau“ (die sogar als ein links-liberales Blatt gilt) runter
geschrieben; im einträchtigen Kanon mit der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“
(die eher das Gegenteil von links-liberal ist), „senkten“ die Blätter die Zahl
der Demonstranten von im Rundfunk gemeldeten 10.000 Teilnehmer auf 7000.
Angesichts
einer solchen Redaktionspolitik in den großen deutschen Blättern, stellt sich
natürlich die Frage nach dem Warum. Offenbar spielt sich hier im Kleinformat
etwas ab, was sich in den USA vor dem Afghanistan-Krieg und dem letzten
Irak-Krieg abspielte: eine quasi Selbstzensur der Presse.
In
den deutschen Medien wird offenbar willfährig genau die Linie vertreten, die
das Bundesaußenministerium vorgibt. Damals, vor dem Irak-Krieg hieß es,
Deutschland beteilige sich nicht am Krieg. Wie sich später herausstellte, war
Deutschland doch nicht so unbeteiligt wie die offiziellen Stellen behaupteten –
was Deutschland viel und vor allem sehr berechtigte internationale Kritik
einbrachte; vor allem in Ländern mit den wir auf gute (Handels-)Beziehungen
angewiesen sind, wurde schlecht über Deutschland berichtet.
Heute ist
es noch eindeutiger: Die beste Bundeskanzlerin aller Zeiten (DieBaZ) Angela
Merkel und ihr Außenminister Frank-Walter Steinmeier weisen die Schuld für den
laufenden Gaza-Krieg einseitig der Hamas zu und Merkel hat obendrein schon
angedeutet, dass „Deutschland seiner Verantwortung bewusst sei und sich an einer
internationalen Mission beteiligen könne.“
Die Agenturen wollen sich offenbar an die von den Regierenden vorgegebene Linie halten. Wenn man aber unsere Nachrichtenlage z.B. mit der BBC und andere Medien im Internet vergleicht, denen man keinerlei Sympathien für die Hamas unterstellen kann, wird sehr schnell deutlich: Die israelische Besatzung trägt Schuld an diesem Krieg. Mitschuld treffen indirekt die Europäische Union, die USA – und Deutschland. Sie liefern Waffen an Israel und fordern die Hamas zur Zurückhaltung und sofortigen Einstellung der Kampfhandlungen auf. Das ist absurd.
Die Agenturen wollen sich offenbar an die von den Regierenden vorgegebene Linie halten. Wenn man aber unsere Nachrichtenlage z.B. mit der BBC und andere Medien im Internet vergleicht, denen man keinerlei Sympathien für die Hamas unterstellen kann, wird sehr schnell deutlich: Die israelische Besatzung trägt Schuld an diesem Krieg. Mitschuld treffen indirekt die Europäische Union, die USA – und Deutschland. Sie liefern Waffen an Israel und fordern die Hamas zur Zurückhaltung und sofortigen Einstellung der Kampfhandlungen auf. Das ist absurd.
Wenn
Medien in der Mehrheit dieser Linie folgen, ist es nur so zu erklären, dass sie
sich mit der Position der Mächtigen und Herrschenden nicht anlegen wollen. Beschämende
Auffassung von Journalismus.
Ein
weiterer Grund für diese Art der Berichterstattung könnte darin bestehen, dass
die Medien in Deutschland keine Stellung gegen Israel beziehen wollen. Aufgrund
unserer Geschichte haben wir in Deutschland ein Problem: Vielen Menschen fällt
es aus diesen historischen Gründen – also namentlich wegen des Holocaust –
schwer, sich im Nahost-Konflikt gegenüber Israel kritisch zu äußern. Natürlich
gibt es in Deutschland Antisemiten, Neo-Nazis und andere Rechte, die im Fahrwasser
einer eventuellen Kritik an Israel segeln (wollen). Sehr schnell wird also, bei
laut werdender Kritik an Israel, die Keule des Antisemitismus geschwungen.
Es
dürfte aber doch für eine differenzierte Berichterstattung ein Leichtes sein,
sich gegen solche Unterstellungen zu verwahren. Ich selbst verwahre mich doch
auch dagegen antisemitisch zu sein – nur weil ich den Angriffskrieg der
Staatsführung Israels als das bezeichne was es ist; nämlich ein illegaler
Angriffskrieg.
3.
Stimmen aus Israel
Kritik
an diesem Angriffskrieg zu üben ist nicht antisemitischer als der Krieg selbst,
denn die Politik Israels gefährdet das Leben vieler Israelis (Juden). Im
Gegenteil: Eine Kritik ist notwendig und ein Akt der Solidarität mit dem
israelischen Volk! Die israelische Linke (ja, die gibt es dort) erwartet sogar,
dass wir eindeutig gegen den Krieg Stellung nehmen und sie mit dieser Haltung
in Israel selbst nicht allein lassen. Sie haben es in Zeiten wie diesen, in
denen die Presse nur noch Propaganda schreibt und die Wahrheit als erstes
stirbt, schwer sich Gehör zu verschaffen, denn die Rechten übertönen sie mit
Sprechchören wie „Tod den Arabern“; z.B. vergangenen Samstag in Tel Aviv.
Zu
Beginn dieses Artikels habe ich schon auf die Situation von 1982 im Libanon hingewiesen;
mit all den elenden Folgen für das Palästinensische Volk… und natürlich für die
Libanesen, die die Güte besessen hatten, die Flüchtlinge aufzunehmen. Schon
damals hat die israelische Armee, mit dem Argument sich verteidigen zu müssen,
ein fremdes Land überfallen. Aber heute ist die Lage für die Palästinenser viel
schlimmer. Die Situation ist deshalb anders, weil die Kontrahenten Israels auf
Seiten der Palästinenser viel schwächer sind, als das damals für die PLO in
Beirut zutraf.
Außerdem
gibt es im Gaza-Streifen eine Zivilbevölkerung von anderthalb Millionen
Menschen, die seit Monaten unter einer Blockade leben und fast nichts mehr
haben: kein Einkommen, keine Nahrung, kein sauberes Wasser, keine Medikamente. Schlimmer
ist die Situation auch deshalb, weil es, wie die israelische Autorin und
Menschenrechtsaktivistin Felicia Langer ausdrückt: „… für die Palästinenser aus
Gaza keinen Platz unter der Sonne gibt, an dem sie eine Zuflucht finden
könnten.
Das
war 1982 anders, als Arafat mit der PLO nach Tunis ausweichen durfte. Die
Palästinenser jetzt sind eingekesselt und werden wie Geiseln behandelt, die
sich kaum rühren können. Außerdem ist das ihre Heimat, die sie nicht verlassen
wollen.“ Vor allem ist es auch ein Unterschied zu 1982, wie sich damals die Weltgemeinschaft
verhielt und so ganz anders reagierte und mehr Verständnis für die
Palästinenser aufbrachte. Heute schweigt die Welt und sieht zu. Und noch einmal
die Israelin Felicia Langer: „Ich weiß, es ist fragwürdig, das zu sagen, aber
manchmal hat es in meinen Augen schon den Anschein von Komplizenschaft, wie der
israelischen Propaganda geglaubt wird.“ Dabei gibt sie zu verstehen, dass sie
einen Unterschied von Öffentlichkeit und Politikern sieht.
Die
angesprochene Propaganda der israelischen Regierung unter Premier Olmert
erklärt im Stile einer tibetanischen Gebetsmühle, Ziel der Operation
"Gegossenes Blei" sei nicht die Vernichtung von Hamas. Das ist eine Propaganda-Lüge.
Die unabhängigen israelischen Journalisten gehen selbstverständlich davon aus,
dass es um nichts anders geht, als die Hamas zu vernichten. Aber nicht nur das.
Die jetzige israelische Regierung will das palästinensische Volk in eine
Kapitulation treiben und dermaßen unterwerfen, dass jede Lösung – und sei es
ein palästinensischer Staat, der nur aus ein paar Bezirken besteht – diktiert
werden kann.
Das
heißt, die Palästinenser sollen soweit gebracht werden, in ihrer Verzweiflung
und Frustration jede Lösung anzunehmen, die ihnen Israel präsentiert. Insofern
erleben wir sogar nicht nur einen Krieg gegen die Hamas, sondern gegen alle
Palästinenser. Es
wäre sogar nutzlos gewesen, wenn die Hamas die Waffenruhe bedingungslos
verlängert hätte. Die Wahrheit ist: Die Regierung Israels hat diesen Angriff
seit Monaten geplant und provoziert; es gab immer wieder gezielte Exekutionen
im Gaza-Streifen.
Allein
am 4. November, während in den USA gewählt wurde, tötete ein Raketenangriff
sechs Palästinenser. Außerdem hätte Israel doch die Bedingung von Hamas für eine
verlängerte Waffenruhe nur anzunehmen brauchen, eine überaus plausible
Bedingung: nämlich die inhumane Blockade des Gaza-Streifens endlich wieder zu
öffnen. Aber in Jerusalem schwieg man dazu und wollte mit der militärischen auch
in die politische Offensive gehen. Denn schließlich wird am 10. Februar wird in
Israel gewählt. Wegen der anstehenden Knesset-Wahl wollen/müssen sich offenbar
einige Politiker profilieren; es geht um die Macht, (denn Olmert muss ja wegen Korruption-Verdacht
gehen).
Zipi
Livni, derzeit Außenministerin und Vorsitzende der größten Regierungspartei,
will Ministerpräsidentin werden. Dazu muss sie als Politikerin in Israel, die
zwar im Geheimdienst Mossad gedient hat aber nie ein hohes Amt in der Armee
hatte, auch beim Thema Krieg als Sachverständige anerkennt werden. Ehud Barak,
der Verteidigungsminister aus der Arbeitspartei – in den Umfragen immer etwas
hinten – wollte zeigen, dass er als Verteidigungsminister einen Feldzug
befehlen kann, der nicht zu einem solchen Fiasko führt wie der Libanon-Krieg
2006. Und beide zusammen wollten sie eines sagen: Schaut her, wir sind nicht weniger
wert als Netanyahu. Prompt hat Barak hohe Werte bei den Umfragen.
4.
Deutschlands Regierung zum derzeitigen Krieg
Nun,
ich habe schon auf die unselige Verstrickung Deutschlands in den Irak-Krieg,
und die Wirkung die das international hatte, hingewiesen. Das ist aber –
gemessen an dem was nun schon abläuft (?) oder zumindest vorbereitet wird –
Kleinkram. Die Regierung Deutschlands ist dabei, den guten Ruf, den wir
international bei der Vermittlung in Konfliktsituationen haben, zu verspielen.
Die einseitige Parteinahme für Israel durch Merkel ist eine skandalöse und völkerrechtswidrige
Position.
Auch
Frau Dr. Merkel müsste wissen, dass Israel gegen die IV. Genfer Konvention
verstößt, die besagt, dass eine Besatzungsmacht Fürsorgepflichten für die von
ihr besetzten Gebiete und die dort lebende Bevölkerung hat – und das gilt für
Gaza, solange es keinen souveränen Palästinenser-Staat gibt und Israel die
volle Kontrolle über dieses Gebiet ausübt. Schon die 18-monatige Schließung der
Grenzübergänge zum Gazastreifen hat gegen die IV. Genfer Konvention verstoßen
und selbst UN-Vertreter machen Israel für den Bruch des Waffenstillstandes
verantwortlich, nicht die Hamas, die
fast ausnahmslos als »radikalislamische Terrororganisation« bezeichnet wird,
mit der man nicht verhandelt, was geradezu Originalton israelische Regierung
ist. Deutschland hat die IV. Genfer Konvention ebenfalls unterzeichnet und kann
sich nicht einfach hinter Israel stellen, wenn dessen Regierung so handelt wie jetzt.
In
Wirklichkeit leistet Merkel Israel einen schlechten, um nicht zu sagen schrecklichen
Dienst, sie verteilt Streicheleinheiten, anstatt zu sagen: Man muss verhandeln,
auch mit Hamas; zumal offenbar sogar Barak Obama, in dieser Frage, einen
Kurswechsel in der us-amerikanischen Außenpolitik einleiten will und mit der
Hamas verhandeln will. Anstatt also einseitige Parteinahme zu praktizieren,
sollte die Deutsche Regierung Druck auf Israel ausüben – mit dem Ziel, dass
Israel wieder mit den Palästinensern verhandelt. Mit der Zwei-Staaten-Lösung in den Grenzen
von 1967 haben sich die Palästinenser doch zu einem, für sie schmerzlichen, Kompromiss
durchgerungen.
Es
ist ziemlich schrecklich, wie bedingungslos hierzulande zu den Israelis gehalten
wird - gleichgültig, was die auch immer anstellen. Und mindestens ebenso
schrecklich ist die Position zu den Palästinensern – die, schon fast
stigmatisiert, immer als die Schuldigen hingestellt werden, von denen man
selbstverständlich Vorbedingungen zum Frieden verlangt. Aber hat denn Israel
überhaupt gezeigt, dass es Frieden will? Nein. Stattdessen ging der
Siedlungsbau in der Westbank immer weiter, wurde (auf palästinensischem Gebiet!)
eine Mauer gebaut, wurden und werden die Palästinenser gezielt wirtschaftlich
geschädigt. Noch einmal die Israelin Felicia Langer: „Wir reden viel über
Frieden, aber in Wirklichkeit ist Frieden für uns nur eine Floskel.“
Erst
massiver internationaler Druck wird Israel davon überzeugen, mit dieser Politik
Schluss zu machen und mitzuhelfen, dass ein lebensfähiger palästinensischer
Staat entsteht, mit dem man – mit der Zeit – gut nachbarlich existieren kann
(gerade Deutschland hat doch da Erfahrungen mit ehemaligen Erzfeinden!). Leider
bewirkt die deutsche Außenpolitik das Gegenteil – genau genommen leistet sie
dem Krieg Vorschub. Was Frau Merkel sagt, ist nicht nur skandalös, sondern auch
politisch dumm. Wenn ich wirklich Frieden möchte, dann stärke ich doch zuerst
die friedlichen internen Kräfte. Frau Merkel, es gibt eine israelische
Friedensbewegung!
Es
kann ja sein, dass die Bundeskanzlerin nicht weiß was eine Friedensbewegung
leisten kann (als eine Friedensbewegung in der BRD gegen die Atomrüstung stark
war, war sie ja noch nicht im Lande – sie könnte aber ihren Außenminister
fragen, oder, besser noch, dessen Vorgänger). Frau Merkel, der israelischen
Friedensbewegung sollten sie helfen, anstatt den Falken das Wort zu reden. Ja,
Israel hat ein Recht auf seine Sicherheit, aber der Weg dorthin führt nicht
über Leichenberge aus palästinensischen Frauen und Kindern.
5. Und
die Palästinenser
Es
hat noch nie geholfen, irgendjemanden – der eh nichts mehr zu verlieren hat –
zu verteufeln; im Gegenteil. Anstatt die Hamas als Terrororganisation zu
behandeln (was ja nicht völlig falsch ist, aber auch nicht ganz richtig),
sollte man die Zeichen zum Verhandlungswillen nicht mutwillig ignorieren. Hamas-Führer
Chalid Maschal hat klar gesagt, wenn das palästinensische Volk die
Zwei-Staaten-Lösung akzeptiert, wird Hamas sie auch akzeptieren.
Vor
zweieinhalb Jahren schon, tauchte ein Memorandum in der Öffentlichkeit auf, das
unter dem Namen „Das Papier der Gefangenen“ bekannt wurde. Geschrieben worden
war es von palästinensischen Politikern in israelischen Gefängnissen. Darin ist
ebenfalls von zwei Staaten die Rede. Keiner hat dem widersprochen, auch Hamas
nicht. Dies kam einer Anerkennung Israels gleich.
Wir
könnten aus der Vergangenheit lernen – das heißt, wenn wir wollten. Ich
erinnere an die PLO und Arafat. Hatte denn nicht auch die PLO einmal eine
Charta, in der die Existenz des Staates Israel ausdrücklich nicht anerkannt
wurde? Trotzdem hat man mit der PLO und Arafat verhandelt und die Oslo-Verträge
geschlossen. Warum
verfährt man mit Hamas nicht genauso? Stattdessen tötet die israelische
Luftwaffe den Hamas-Politiker Nisar Rian mitsamt seiner Frau und seinen acht
Kindern. Und alle Welt tut so, als wäre das normal. Aber das war Mord und
sollte auch so genannt werden. Die ganze Offensive ist ein Kriegsverbrechen.
Teil II
folgt – Zur Geschichte des Konflikts
Wilfried
John
Kommentare
Kommentar veröffentlichen