Des Teufels Generäle – Über Manager großer Konzerne


 Des Teufels Generäle – Über Manager großer Konzerne




„Schon mancher akzeptiert die Kette in dem Glauben, an ihrem Ende befinde sich der Rettungsanker.“ Wieslaw Brudzinski




Aktuell vergeht kaum ein Tag, an dem die Zeitungen nicht voller Meldungen über das Finanzmarkt-Debakel sind. Kaum eine Nachrichtensendung, die nicht als „Aufmacher" etwas über die Krise berichtet. Kaum ein Kommentator aktueller Nachrichten vom Börsenparkett, der nicht über Manager herzieht, die angeblich den sprichwörtlichen Hals nicht voll bekamen. Einmal ganz davon abgesehen, dass dieselben Kommentatoren vor nicht allzu langer Zeit eben jene Manager für erfolgreiches, weil hoch profitables, Unternehmertum hochleben ließen, ist das Thema auch noch in manch anderer Hinsicht höchst unerfreulich.

Scheinheilige Verteidigung des Systems

Ganz davon abgesehen, dass oben genannte Kommentatoren jahrelang eben diese Machenschaften sozusagen hoffähig gemacht haben und – im Auftrag ihrer Manager in der Medienindustrie – nicht müde wurden, auch noch die letzte Halunkerei an der Börse (Arbeitsplatzvernichtung, Kapitalflucht, Steuerhinterziehung etc.) zu rechtfertigen, sie also auch ein gerüttelt Maß an Verantwortung tragen, sind sie auch in ihrer Kritik wieder nur die willfährigen Handlanger ihrer Herrn und verlangen Sündenböcke, anstatt die wirklichen Ursachen zu nennen. Sie richten deswegen die berechtigte Kritik nicht auf die wirklichen Ursachen, weil eine allzu deutliche Kritik das System, dem sie – gut bezahlt – dienen, in Frage stellen würde.

Jetzt zeigen sie mit allen Fingern gleichzeitig auf diejenigen, die angeblich Schaden anrichten, wenn durch Spekulation an der Börse Lebensmittel- und Energiepreise immens hoch gejubelt werden oder ganze Volkswirtschaften in Gefahr geraten, wie aktuell durch die US-amerikanischen Immobilienkrise, sondern die Kritik verharrt bei den Protagonisten der Spekulation: den Spekulanten. Aber die Spekulanten sind nicht die personifizierte Böswilligkeit und die Börse ist nicht einem unmenschlich wucherndes Krebsgeschwür gleich, das ein an sich gutes marktwirtschaftliches Dasein überwuchert und das man, wie eben ein solches Geschwür, einfach abschneiden oder entfernen könnte, und alles wäre wieder im Lot. Ohne das Tun der Spekulanten rechtfertigen zu wollen, wie hätten sie sich bitteschön anders verhalten sollen? Spekulation ist nie schlimmer als der Markt, dem sie dient. Sie ist nicht seine Ursache, sondern eine seiner Folgen. Die Spekulation ist keine Erfindung der Spekulanten, sie bedient sich ihrer lediglich. Die Börsianer sind nur die etwas durchgeknallten Rationalisten der großen Irrationalität des Kapitals. Nicht umgekehrt!

Aber das sagt natürlich niemand – stattdessen ist von vertrauensbildenden Maßnahmen die Rede, wenn sich die beste Bundeskanzlerin die wir je hatten hinstellt und verkündet, die BRD garantiere die Spareinlagen. Aber sie sollte mal mit normalen Menschen reden, anstatt sich nur auf Rednertribünen herumzutreiben. Da ist nichts mehr mit Vertrauen… höchstens verhält man sich (noch) vernünftig und lässt seine paar Kröten bei der Sparkasse, weil sie hinter der Wartungsklappe im Badezimmer eh nur schimmelig werden. Noch vor einer Woche waren die Banken in Deutschland, ja Europa, sicher… heute wissen wir, dass dem mitnichten so war oder ist. Heute hat Island quasi den gesamten Bankensektor verstaatlicht, weil die Wikinger-Mentalität der Banker (die nicht allein ein Markenzeichen der Isländischen Banker ist) dazu geführt hat, dass die Regierung den Staatsbankrott befürchten musste.

Managerhaftung

Anstatt auch solche grundsätzlichen Maßnahmen zu beschließen (die ich für die absolut richtige Konsequenz halte), wird von „Modifizierung von Regeln“ für den Finanzsektor schwadroniert. Das kommt dem Versuch gleich, den schwarzen Hautkrebs mit einem Schönheitspflästerchen zu bedecken und dem Patienten anschließend zu sagen: Das heilt schon. Und wieder stoßen sie ins selbe Horn, wie die oben genannten Kommentatoren: Stichwort Managerhaftung. Ich gehe sehr stark davon aus, dass sie nicht wissen was sie da sagen. Das wird klar, wenn man sich das Ganze – also warum eigentlich Manager nicht für ihr Tun haften müssen – mal von der Rechtsgeschichte her anschaut. Jetzt Managerhaftung zu verlangen, rüttelt an den Fundamenten der kapitalistischen Ordnung; das können sie wirklich nicht gewollt haben. Aber nun ist das Thema auf der Agenda!

Alles begann (wieder einmal) in den USA. Bis Mitte des 19. Jahrhunderts waren Kapital-Gesellschaften strengster staatlicher Begutachtung unterworfen und mussten haargenau Rechenschaft ablegen; die Manager waren für Schäden verantwortlich UND haftbar. Nach dem Amerikanischen Bürgerkrieg wurde dann der 14. Zusatzartikel zur Verfassung der Vereinigten Staaten (am 13.6.1866 zur Verabschiedung vorgeschlagen und am 28.7.1868 ratifiziert) verabschiedet. Er enthält die Gleichbehandlungsklausel und das Recht auf ein ordentliche Gerichtsverfahren in den Bundesstaaten und so die Grundlagen des Staatsbürgerschaftsrechts. Der Verfassungszusatz liefert eine weitreichende Definition von nationaler Staatsbürgerschaft. Er stellt allen Personen (und nicht nur Staatsbürgern) den gleichen Schutz der Gesetze der Vereinigten Staaten von Amerika, die in den Zuständigkeiten der verschiedenen Bundesstaaten liegen, in Aussicht. Das Hauptanliegen der Verfasser war, dass ein gleichwertiger Schutz ungeachtet der Rasse hergestellt wird. In diesem 14. Zusatzartikel heißt es, dass kein Staat ohne eine ordentliche Gerichtsverhandlung eine Person um Leben, Freiheit und Eigentum bringen darf.

Dies sollte seinerzeit – kurz nach dem Sezessionskrieg – vor allem dazu dienen, den nun aus der Sklaverei entlassenen Schwarzen eine gesetzliche Grundlage zur Hand zu geben, um sich vor Ungleichbehandlung schützen zu können. Dann allerdings schlug die große Stunde der Juristen und der Gerichte: Findige Konzernanwälte argumentierten mit allerlei Spitzfindigkeiten vor Gericht, dass eine Aktiengesellschaft eine Person sei... und sie bekamen das Urteil das sie haben wollten: Der Begriff juristische Person war geboren und all jene Rechte – die eigentlich zum Schutz der Schwächsten, der ehemaligen Sklaven, geschaffen wurden – galten jetzt auch für die Unternehmen. Diese sonderbare Wahrnehmung seitens der Justiz, die aus einem Aktienunternehmen eine Person zu machen meinte, führte nun dazu, dass nun die Unternehmen – wie eine Person – verantwortlich war, nicht aber diejenigen, die im Auftrag des Unternehmens handelten. Bezeichnend für diesen Missbrauch des Verfassungszusatzes: Von den 307 Klagen, die von 1890 bis 1910 wegen Verstoßes gegen den 14. Verfassungszusatz eingereicht wurden, waren 288 von Unternehmen und nur 19 von afrikanisch stämmigen US-Amerikanern!

Der Gesetzgeber des Deutschen Reiches (1871-1945) entschied sich auch für diese Rechtsfiktion der „juristischen Person“ und verankerte sie als neue Gesetzesinstitution in das am 1. Januar 1900 in Kraft tretende „Bürgerliche Gesetz-Buch“; das bis heute hierzulande gilt und von allen kapitalistischen Ländern übernommen wurde. In der Folge kreierte der Gesetzgeber die streng limitierte Zahl spezieller gesetzlicher juristischer Personen (Eingetragener Verein/e.V., Gesellschaft mit beschränkter Haftung/GmbH, Kommanditgesellschaft/KG, Aktiengesellschaft/AG und neuestens die Europäische Aktiengesellschaft/SE und die Wirtschaftliche Interessenvereinigung/EWIV). Das BGB nun aber, ist sozusagen die Bibel der Geschäftswelt und daran zu rütteln, stellt das gesamte System in Frage… nach 108 Jahren auch völlig zurecht.

Privatisierung

Aber wenn die politischen Protagonisten das doch wussten, dann ist die Lage offenbar noch viel ernster als man der Öffentlichkeit glauben machen will. Man befürchtet vermutlich – meiner Meinung nach (völlig zurecht) – eine Legitimationskrise der herrschenden Wirtschaftsordnung, die seit Jahrzehnten, dem neoliberalen Credo folgend, immense Vermögenswerte von „unten nach oben“ umverteilt: Stichwort Privatisierung. Es geht also um viel Geld, um genauer zu formulieren, es geht um sehr viel Geld! Natürlich, die Privatisierung der gesamten Daseinsvorsorge (Lebensmittel, Energie, Gesundheitsvorsorge, Altersvorsorge oder auch das Kreditwesen) würde nicht nur die Wirtschaftsordnung in eine Legitimationskrise bringen, sondern das würde das politisch/demokratische System überflüssig machen.

Das aber braucht man, um die Menschen „bei der Stange zu halten“ und das System zu schützen. Also „begnügt“ man sich mit Teilen der möglichen Beute; immer gerade so viel, dass man es den Leuten gerade noch „verkaufen“ kann und immer mehr, je weniger die Menschen sich dagegen wehren (können). Sie schrecken da vor nichts zurück, da sie nichts zu befürchten brauchen. Anatol France, der französische Philosoph und Autor, hat einmal gesagt: Zuerst macht der Reiche den Dieb, dann macht er Gesetze gegen den Dieb. So ist das international auch geschehen. In im selben Maß wie die Skrupellosigkeit von Konzernen wächst, steigt die Bereitschaft, mit arroganter Gleichgültigkeit und Menschenverachtung vorzugehen, um Profite zu machen; Tote werden billigend in Kauf genommen.

Als Bolivien die Wasserversorgung seiner drittgrößten Stadt refinanzieren wollte, bestand der Kreditgeber, die Weltbank, auf Privatisierung. So kam sämtliches Wasser von Cochabamba in den Besitz des US-Konzern Bechtel. Die Menschen durften nicht einmal mehr das Regenwasser auffangen, weil es zum Privatbesitz des Unternehmens gehörte. Unbezahlte Wasserrechnung bescherten Bechtel das Recht, Haus und Eigentum des Schuldners pfänden und zwangsversteigern zu lassen. Als sich die Leute, in ihrer Not und Wut, gegen dieses legalisierte Unrecht wehrten und demonstrierend durch die Stadt zogen, wurden sie vom bolivianischen Militär gejagt und geschlagen. Die Regierung der Bolivianer verteidigte die internationalen Interessen des Konzerns Bechtel! Es gab unzählige Verletzte und zwei Tote. Die westliche Welt spielt aber weiterhin die Rolle des arglos Staunenden, der nicht begreifen kann, dass in Südamerika emanzipatorische Bewegungen sozialistisch-linker Machart am Werk sind, die die Interessen ebenjener internationalen Unternehmen niedertrampeln, weil sie ihnen am Ende das Leben kosten.

Nichts anderes geschah mit den Rentenkassen in Chile und Argentinien… und die Finanzkonzerne fanden überhaupt nichts dabei, die blutigen Hände von Generälen wie Pinochet zu schütteln; dass sich nach dem letzten großen Crash die Ersparnisse der kleinen Leute nun in den Taschen der Konzernbesitzer befinden und die Rentnerinnen und Rentner entweder auf Almosen angewiesen sind oder bis zum Tode arbeiten müssen, schert die Herren in den Vorstandsetagen nicht. Auch hierzulande spricht man von den Vorzügen der Kapital gedeckten Altersvorsorge und ist kräftig dabei, das altbewährte System erst auszurauben, dann unterzufinanzieren und es schließlich schlecht zureden, und zwingt damit die Leute in die Privatversicherung. Den Verantwortlichen hierzulande wird der Arsch auf Grundeis gehen, wenn sie daran denken, dass das mittlerweile angesammelte Geld durch die Pipeline, direkt in Dagobert Ducks Geldspeicher, rauscht; es geschieht das gleiche wie in Lateinamerika, nur eben hierzulande (noch) nicht so krass.

Realwirtschaft

Manche Worte aus dem Munde von sog. Fachleuten sind verräterisch; Realwirtschaft z.B. gehört ohne Zweifel dazu. Wenn es das wirklich gibt, Realwirtschaft, was ist dann bitteschön die Finanzbranche? Wolkenkuckucksheim, oder was? Offenbar soll die uralte Formel „Schaffende gegen Raffende“ wieder einmal reaktiviert werden. Die fundamentale Unterscheidung in Börsenkapital und Kapital wird immer geläufiger. Aber sie trägt nicht. Sie ist ein populistischer Selbstläufer. Sie dividiert Unteilbares, vertraut letztlich auf das produktive gegen das spekulative Kapital, setzt einmal mehr auf das was in Deutschland schon mal so „erfolgreich“ war: Schaffendes gegen Raffendes Kapital; ob es will oder nicht, das schleppt einen antisemitischen Subtext mit sich herum. Gerade nach der nationalsozialistischen Barbarei ist jener Forderung in dieser Frage besondere Aufmerksamkeit zu widmen.

Die abfällige Einteilung in ein Schaffendes und ein Raffendes Kapital führt in die Irre. Sie ist nicht Aufbruch einer neuen Kapitalismuskritik, sie ist deren Verunglückung. Vor allem auch, wenn man noch zusätzlich bedenkt, dass man auf unterer Ebene alle zu kleinen Kuponschneidern (Pensionsfonds, Aktienbesitz...) umrüsten will. Andererseits darf man nicht vergessen, dass in Aktiengesellschaften nicht die Individuen vereinigt sind, sondern die Kapitalien. Durch diese Manipulation sind Eigentümer in Aktionäre, d.h. in Spekulanten verwandelt worden. Bei der Kritik der Spekulation, der Manager und des Systems ist immer wieder die inhaltliche Rückbezüglichkeit zur kapitalistischen Totalität herzustellen. Wird da sachlich etwas isoliert betrachtet und aus diesem Kontext entlassen, wird das unweigerlich entweder keine oder aber unerwünschte Resultate zeitigen.

Dass das alles zusammenhängt, zeigt sich aktuell an der Deutschen Automobil-Industrie (inklusive ihrer Belgischen, Spanischen und sonstigen Europäischen Töchter). Angeblich wegen mangelnder Nachfrage, haben ganze Werke ihre Produktion (vorerst) zeitweise eingestellt. Aber das Argument ist fadenscheinig, denn die Nachfrage ist da… nur eben keine zahlungsfähige Nachfrage; worauf es in diesem System einzig ankommt. Da aber die Autokonzerneigenen Banken auch von der sog. Finanzkrise geschüttelt werden und keine Finanzierungsangebote in großem Umfang mehr machen können, zahlen die Beschäftigten durch Einstellung der Produktion die Zeche. Da kann sich die beste Bundeskanzlerin die wir je hatten noch tausendmal hinstellen und die Spareinlagen als sicher bezeichnen, es werden noch weitere Branchen in diesem Sumpf geraten… und, hoffentlich, nicht alle versinken.

Diagnose des Systems

Es gibt einen wunderbaren preisgekrönten kanadischen Dokumentarfilm, der sich mit dem Thema beschäftigt und es mir erspart, mir selbst etwas ausdenken zu müssen. Ich komme zum Anfang zurück und auch die Autoren des Films sind an dieser Stelle. Sie nehmen das us-amerikanische Gerichtsurteil einmal "einfach beim Wort". Ihre Ausgangsidee: Wenn schon Firmen den gleichen rechtlichen Status wie Individuen genießen, dann kann man sie auch wie Menschen (psycho-)analysieren. Sie benutzen dazu die FBI-Standards, die das Persönlichkeitsprofil eines Psychopathen beschreiben und recherchieren in diese Richtung. Das Ergebnis der filmischen Recherche fällt eindeutig aus: Konzerne verhalten sich – nach diesen FBI-Standards – wie Psychopathen, sie verhalten sich egozentrisch, verantwortungslos und sind unfähig, Mitgefühl oder Reue zu empfinden.

In erschreckenden Fallstudien zeigen die beiden Filmmacher von "The Corporation" auf, wie Konzerne irrational und ohne Rücksicht auf Externalitäten vorgehen. In vielen Fällen grob fahrlässig und geradezu mutwillig. So abwegig ist dieses unbekümmerte Bewerten eines körperlosen Patienten aber nicht, denn obwohl ein Konzern keine Person nach allgemeinem Verständnis darstellt, ist er es juristisch betrachtet doch; wie ich oben zeigte. Achbar und Abbott, die Autoren, konfrontieren die Zuschauerschaft ebenso mit der kriminellen Energie der Psychopathen, die auch nicht davor Halt machen, sich mit einem Diktator zu verbandeln oder sie zeigen Konzernanwälte die erreichten, dass auch Lebewesen als Patent angemeldet werden können… (siehe auch meine Serie „Die Ökonomie des Krieges“ Teil 3 „Der Dieb von Bagdad“).

In einem anderen Fall offenbart sich der gelebte Zynismus der Psychopathen. Ein Textilkonzern wirbt dafür, dass mit jedem verkauften Produkt eine Summe für Jugendprojekte vom Profit abgezogen wird. Dies sei ein Beitrag zur sozialen Verantwortung des Unternehmens. Gleichzeitig beschäftigt dieses Unternehmen jugendliche Arbeiterinnen – 13 Jahre alt – in sog. Entwicklungsländern, die diese Produkte zu einem Hungerlohn und natürlich in unmenschlichen Akkord- und Arbeitsbedingungen nähen müssen. Der Anteil des Lohnes am Endpreis beträgt 0,3 Prozent! Überhaupt, so stellt man fest, muss man immer Skepsis walten lassen, wenn Unternehmen beginnen, ihre soziale Verantwortung in den Mittelpunkt ihres Wirkens zu stellen.

Behandlung/Heilungschance

Die Behandlung muss an den Ursachen ansetzen und sich nicht bei den Symptomen aufhalten. Da aber die Ursachen vielfältiger Natur sind und auf ganz verschiedenen Ebenen zu finden sind, gibt es kein einfaches Rezept; und ich will auch nicht so tun, als hätte ich den Masterplan. Es wird wohl auf eine Mischung von Gesundem Menschenverstand, Politischer Hygiene, Rechtstaatlichkeit und Sanktionen hinauslaufen; genau in dieser Reihenfolge. Ich möchte versuchen, das Rezept grob zu entwerfen und in die Diskussion zu bringen – wiewohl ich ahne, dass das Zitat am Beginn des Artikel, nicht nur ein Bonmot irgendeines Polnischen Satirikers ist, sondern auf der Beobachtung der Wirklichkeit beruht. Dennoch müssen wir es einmal versuchen.

Gesunder Menschenverstand. Unternehmen rund um den Globus beeinflussen, manipulieren, ja konditionieren Menschen (Kunden), damit diese die Ansicht erhalten, jeden Wohlstandsschrott zu benötigen, vom dem sie vor Jahren noch nicht einmal erahnen konnten, dass ihn denn geben wird (man nennt das allgemein Werbung). Gleichzeitig hat diese aggressive Werbung aber noch eine andere, wesentlich wichtigere Funktion: Wenn Unternehmen also Unwesentlichkeiten ins Zentrum des Interesses rücken, sozusagen eine "Philosophie der Nichtigkeiten" hochleben lassen, welche die Menschen dazu bringt, sich stundenlang über Nagellack und Filme zu unterhalten, während Themen wie die Allmacht der Konzerne vollkommen von der Bildfläche verschwinden, ist es angeraten – auch wenn man ständig als Querulant oder Spielverderber dasteht – das Wesentliche zu sagen: Wirtschaft ist für die Menschen da, nicht die Menschen für die Wirtschaft.

Politischer Hygiene. Die neoliberalen Heilsbringer hatten jetzt bald drei Jahrzehnte Zeit zu beweisen, dass ihr System funktioniert und sie hatten viele Helfershelfer, um ihr Versprechen „Wohlstand für alle“ zu erfüllen. Aktuell ist einmal mehr festzustellen, dass das System nicht funktioniert und das Versprechen ist nicht für Alle, sondern nur für sehr Wenige erfüllbar gewesen. Wer sich heute als Politiker noch hinstellt und „Weiter so“ verkündet, der handelt eidbrüchig; im Amtseid heißt es (unter anderem): Ich schwöre… Schaden vom Volk abzuwenden… Meineidige aber gehören ins Loch (in Deutschland stehen 5 Jahre Gefängnis auf Meineid) und nicht ins Amt! Stattdessen sollten jene ans (politische) Werk, die das was oben als das Wesentliche bezeichnet habe, ins Zentrum ihrer Politik stellen und die Vergeudung und/oder Verschwendung des Volksvermögens (Bahn, Post, Telekom, Energie, Daseinsvorsorge) stoppen und rückgängig machen (wollen).

Rechtstaatlichkeit. „Gleiches Recht für alle“ und „Vor dem Gesetz sind alle gleich“ sind die Grundsätze eines modernen Rechtsstaats. Dem muss wieder Geltung verschafft werden. Das geht aber nicht, wenn die Politisch Handelnden es den Gerichten überlassen, das Recht so umzuformen, dass es effektiv zu Unterschieden kommt. Es kann und darf nicht sein, dass Konzerne Recht bekommen, wenn sie Menschen verdursten lassen dürfen, weil sie die Wasserrechnung nicht bezahlen können (um nur einmal bei dem oben angeführten Beispiel zu bleiben – dabei ist der genannte Konzern kein Einzelfall, die Europäer REW, Suez oder Nestlé treiben es genauso). Der Finanzsektor muss wieder auf seine ursprüngliche Funktion zurückgeführt werden – Geschäftemacherei mit Derivaten (und dergleichen) muss verboten werden. Die Börsen dürfen kein quasi rechtsfreier Raum mehr sein und alle Banken und Versicherungen müssen (nach dem Deutschen Sparkassen-Prinzip) unter demokratische Kontrolle gebracht werden.

Sanktionen. Ganz zum Schluss müssen wir natürlich auch an die Schwarzen Schafe denken. Die Erwähnung des Films „The Corporation“ soll natürlich nicht darüber hinweg täuschen, dass hinter der „Juristischen Person“ ganz bewusst „natürliche Personen“ agieren. Wenn sie aus Profitgier, Gesetze beugen, brechen oder über Leichen gehen (wie Marx schon sagte), dann müssen sie zur Rechenschaft gezogen werden – unter Inanspruchnahme ihres gesamten Vermögen oder ihrer Freiheit; es kann nicht sein, dass Manager für Bruch und Dalles auch noch den Goldenen Handschlag bekommen. Neulich wurde der ehemalige Chef von Babcock, Herr Lederer, vom Amtsgericht Duisburg wegen Konkursverschleppung zu einer Haftstrafe (auf Bewährung) verurteilt… und (was ich sehr gut finde) zu tausend Stunden Gemeinnütziger Arbeit (was ich zu wenig finde); damit kann er den gesellschaftlichen Schaden den er angerichtet hat, wenigstens zum Teil wieder ausgleichen.

Nun, die Heilungschancen für dieses System erachte ich als sehr gering; wobei nicht außer Acht gelassen werden darf, dass ein mit HIV infizierter Patient, kann er sich die Behandlung leisten, noch lange leben kann. Ich möchte mit einem weiteren Zitat von Wieslaw Brudzinski schließen: „Aschehaufen haben es gerne, wenn man sie für erloschene Vulkane hält.“


Glühend

Wilfried John






Der Artikel stützt sich zum Teil auf den Film „The Corporation“ – Anzuschauen unter: " target=_blank rel=nofollowhttp://video.google.com/videoplay?do...972057552

Der Dieb von Bagdad - http://www.bannjongg.com/cgi-bin/sbb/sbb.cgi?&a=print&forum=61&beitrag=7

Ein Teil des Textes beruht auf meiner Buchbesprechung des Titels „Verlieren ist eine Frage der Methode“ von Santiago Gamboa – veröffentlich unter dem Titel "Wie gewonnen, so zerronnen" bei: http://www.ciao.de/Mitglied_&#0...095;592088[/size]

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