Alle meine Sklaven – Über das, was wir heute mit Sklaverei zu tun haben
Religion ist das, was die
Armen davon abhält,
die Reichen umzubringen. Napoleon I., Kaiser der
Franzosen, 1769-1821
Alle meine Sklaven –
Über das, was wir heute mit Sklaverei zu tun haben
Angeregt durch einen Artikel
über die Initiative
"Made in a free World", in dem es im Wesentlichen darum ging, wie
viel wir Konsumenten in den entwickelten Industrieländern – selbst bei ganz
normaler Lebensführung – mit der sog. modernen Sklaverei zu tun haben, führte
ich einen Selbsttest durch. Auf der Seite http://slaveryfootprint.org findet man einen sog. „Sklavenrechner“
der Initiative "Made in a free World", der zeigt, wie unsere
Konsumgüter immer auch Zwangsarbeit und wirtschaftliche Ausbeutung von Menschen
zur Folge haben. Für mich und meine Familie arbeiten demnach ca. 50 Sklaven
weltweit!
Natürlich darf man sich bei
dem Begriff Sklaverei nicht mehr die schlimmen Bilder der geschundenen
Schwarzen auf den Plantagen der Südstaaten der USA vorstellen – die Zustände
heutzutage sind oft viel schlimmer! Die Organisation „Anti-Slavery
International“ schätzt, dass heute etwa 27 Millionen Menschen in Sklaverei und
sklavereiähnlichen Bedingungen leben. Die häufigste Form der heutigen Sklaverei
ist die Schuldknechtschaft und Kinderarbeit (hierzu
siehe auch meine Artikel „Komm, wir spielen Schicksal - Über Ausbeutung von
Kindern“ hier auf dieser Plattform), aber zunehmend auch andere, noch
schlimmere Formen der Kinderarbeit; z. B. Kinderprostitution oder Kinderhandel.
Allerdings kommen die sog.
traditionellen Formen der Sklaverei auch heute noch vor; vor allem in Mauretanien,
Niger
und im Sudan. Aber lt. http://www.antislavery.org überwiegen andere Formen der
menschenverachtenden Geschäfte, z.B. Menschenhandel,
Zwangsarbeit
und Zwangsprostitution. So werden nach Angaben der
Internationalen Arbeitsorganisation ILO (mit Sitz in Genf) weltweit 21
Millionen Menschen unter Missachtung ihrer Grundrechte als moderne
Arbeitssklaven ausgebeutet – besonders im Bergbau, in der Landwirtschaft,
im Haushalt, im Baugewerbe, in Fabriken und der Unterhaltungsindustrie.
Heutzutage soll es mehr Sklaven auf der Welt geben als
jemals zuvor in der Geschichte der Menschheit. Mehr als die Hälfte
von ihnen sind Frauen und Mädchen, nämlich 11,4 Millionen. Mehr als ein Viertel
der Betroffenen sind noch Kinder. Oft ist die Zwangsarbeit auch mit sexueller
Ausbeutung verbunden – in etwa 4,5 Millionen Fällen. Hilfsorganisationen
schätzen die Zahl der Zwangsarbeiter weltweit sogar weit höher auf 35
Millionen. Durch Zwangsarbeit und kommerzielle sexuelle Ausbeutung werden nach
UN-Angaben weltweit Profite in Höhe von jährlich 150 Milliarden Dollar erzielt.
Die Sklaverei ist heute
weltweit geächtet und durch zahlreiche Gesetze verboten. Doch gleichzeitig, wie
schon gesagt, blüht der weltweite Sklavenhandel wie nie zuvor in der
Geschichte. Die totale Ausbeutung von Menschen als bloßes Material kennt keine
Grenzen, nur eben die Erscheinungsformen haben sich geändert. Und wir alle
profitieren davon. Auch wenn die moderne Sklaverei anders ausschaut,
so ist das Kernmerkmal jeder Sklaverei bis heute gleich geblieben: Es ist die absolute Herrschaft von Menschen über
Menschen. Sklaven sind absolut rechtlos. Für sie gelten keine Menschenrechte.
Der Sklave ist alleiniges Eigentum eines anderen Menschen. Ein Ding, eine Ware,
die illegal verkauft, verschenkt, vererbt und verpfändet werden kann. Jede
Sklaverei ist daher Ausdruck von absoluter Knechtschaft.
Erzwungen durch Macht
und Gewalt kann diese Knechtschaft Folge von Kriegen sein, von Rassismus oder
simpler verbrecherischer Bereicherung. Die moderne Form der Sklaverei ähnlicher
Ausbeutung heißt Zwangsarbeit. Für totalitäre Systeme (z.B. China oder
Nord-Korea) ist sie ein Mittel zur Machtdemonstration und Vernichtung des
Gegners. Der Unterschied zwischen Sklaverei und Zwangsarbeit: Es gibt keinen
Besitztitel und deshalb ist auch niemand haftbar. Zwangsarbeit ist heute eine rechtliche
Grauzone und tritt nur selten ins Bewusstsein – etwa dann, wenn die Medien
darüber berichten; wie z.B. Kevin Bales,
Soziologe und Aktivist der ältesten Menschenrechtsorganisation der Welt, „Anti-Slavery International“, in seinem Buch „Die neue Sklaverei“.
Bales sagt, dass die heutige
Sklaverei schlimmer sei als damals, weil eines ihrer Merkmale darin bestünde,
dass die Sklaven heutzutage zur Wegwerfware
werden und entsorgt werden, sobald der Sklavenhalter sie nicht mehr ausbeuten
kann. Früher mussten die Sklavenhalter in den amerikanischen Südstaaten bis zu
100.000 Dollar für einen Sklaven bezahlen. Der Sklaventreiber hatte somit ein
starkes Motiv seine Sklaven so lange es irgend ging am Leben zu erhalten. Heute
sind die Preise lächerlich gering. Schon für 20 Dollar kann ein Sklavenhalter
einen Arbeiter versklaven. Es rechnet sich also wirklich nicht, ihn zu nähren
oder zu pflegen, wenn er keinen Nutzen mehr bringt oder wenn er krank wird.
Verantwortlich für solches Tun
sind sehr oft Transnationale Konzerne (z.B. Computer-, Bekleidungs- oder auch
Agrarindustrie), die in einer wirtschaftlich eng verflochtenen Weltwirtschaft
sehr mächtig sind. Mit dieser Macht (direkt) oder mit dem Mittel der Korruption
(indirekt) nehmen die Sklavenhalter Einfluss auf die staatliche Gewalt und
lassen sich von ihr schützen. Bales betont, dass die heutigen Sklavenhalter alle
Vorteile des Eigentums genießen, ohne seine Verpflichtungen zu haben; so lautet
der Art. 14 Abs.2 der Deutschen Verfassung: „Eigentum
verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.“
Tatsächlich ist es für die Sklavenhalter ein Vorteil, dass sie keine legalen
Eigentumsrechte haben, denn sie üben uneingeschränkte Kontrolle aus, ohne für
ihren Besitz im Geringsten verantwortlich zu sein.
Auch der Art. 4 der Europäischen Menschenrechtskonvention
verbietet Sklaverei und das nationale Strafrecht der Mitgliedsländer stellt
Sklaverei unter Strafe, aber eine aktive Strafverfolgung für alle Formen der
Sklaverei existiert nicht. Auch Deutschland sieht sich der harschen Kritik
von Menschenrechtsorganisationen ausgesetzt. Opfer von Arbeitsausbeutungen und Zwangsprostitution
werden abgeschoben, wenn sie Hilfe bei Behörden suchen, denn der deutsche
Rechtsstaat fühlt sich nicht zuständig. Die Übermittlungspflicht der
Arbeitsgerichte gegenüber Ausländerbehörden verhindert den Opferschutz und
Abschiebung ist neben Gewalt das entscheidende Druckmittel der Täter.
Ganz ähnlich agieren die USA. Die
USA verabschiedeten bereits unter Bill Clinton ein Gesetz, das Ländern, die
nicht aktiv gegen Sklaverei vorgehen, mit Sanktionen drohte. Angeprangert
wurden aber nur politisch unliebsame Regierungen. Sanktionen gegen Japan, das
nichts gegen die rund 120.000 Sexsklavinnen im Land unternimmt oder die
Vereinigten Arabischen Emirate, die als strategischer Partner zählen, wurden
abgelehnt. Politische Interessen haben meist Vorrang. Offensichtlich können wir
uns auf diese Politik nicht verlassen und wir mitmenschlich denkenden
Zeitgenossen müssen ihr etwas andere entgegensetzen. Wir? Warum wir?
Nun, wie ich oben feststellte,
haben wir hier im zivilisierten Westen einen nicht geringen Anteil an diesen
Zuständen. Zum einen sitzen hier transnational operierende Konzerne, die
Zweigunternehmen in den ärmsten Ländern gründen und ihre Produktion dahin
verlagern; Subunternehmer in den Entwicklungsländern sorgten dann für
Menschenmaterial, mit dem billigst produziert werden kann und um die Aktionäre
mit hohen Dividenden zu erfreuen. Zum anderen kaufen wir als Kunden dieser
Konzerne die billig produzierte Ware und machen so erst den Profit aus der
Sklaverei möglich. Meine Antwort auf die Frage was wir langfristig tun können
ist immer dieselbe: Kämpft für mehr eigenes Einkommen (damit man nicht mehr nur
Billigware kaufen kann), boykottiert ihre Sklavenarbeit (damit es für sie
unrentabel wird Menschen wie Vieh zu halten) und beschränkt die Macht der
Konzerne und ihrer willfährigen politischen Helfer in den Regierungen.
Kurzfriste Lösungen gibt es
nicht, da es für den Endverbraucher sehr schwer ist festzustellen, ob das, was
er als Dienstleistungen in Anspruch nimmt oder Produkte, die er kauft, im
Zusammenhang mit Menschenhandel oder Arbeitsausbeutung stehen. Wer
sicher gehen will, dass Produkte die er kauft, nicht aus sklavereiähnlichen
Produktionsverhältnissen stammen, kann sich auf Waren beschränken, die zum
Beispiel mit dem Fairtrade-Label ausgezeichnet sind. Sie sind meist nur
geringfügig teurer und strafen die Ausrede der Handelsketten, die Rohstoff- und
Warenströme seien nicht kontrollierbar, Lügen. Eine Welt ohne Sklaverei
würde unseren Wohlstand auch nicht unbezahlbar machen.
Wilfried John Tiefenbach, den 01.09.2017
Der Artikel beruht auf dem 3Sat-Beitrag "Moderne Sklaverei" und
einer Kolumne von Gerd Scrobel
Literatur zum Thema:
Die neue Sklaverei
Kevin Bales
Verlag: Kunstmann 2001
ISBN-13: 978-3888972645
Kevin Bales
Verlag: Kunstmann 2001
ISBN-13: 978-3888972645
Lydia Cacho
"Sklaverei: Im Inneren des Milliardengeschäfts Menschenhandel"
Verlag: S. Fischer 2011
ISBN-13: 978-3100100108
"Sklaverei: Im Inneren des Milliardengeschäfts Menschenhandel"
Verlag: S. Fischer 2011
ISBN-13: 978-3100100108
Mary Kreutzer und Corinna
Milborn
"Ware Frau" Auf den Spuren moderner Sklaverei von Afrika nach Europa
Verlag: Ecowin 2008
"Ware Frau" Auf den Spuren moderner Sklaverei von Afrika nach Europa
Verlag: Ecowin 2008
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