Frieden lernen in Gaza – Zum Internationalen Jahr der Aussöhnung Teil 2 "Wie alles begann"
Frieden lernen in Gaza – Zum Internationalen
Jahr der Aussöhnung
Teil II. Wie alles begann
Gebeugt erst, zeigt der Bogen seine Kraft.
Franz Grillparzer
Dieses Kapitel könnte ich mit der Feststellung einleiten: Es gibt nichts Neues unter der Sonne. Wir Menschen, als Teil der Natur, können uns nicht aus den – über Jahrmillionen erprobten – Prinzipien der Evolution davonstehlen. Ja, es gab immer „fressen und gefressen werden“, aber wirklicher Fortschritt entstand immer da, wo Symbiose und Kooperation dafür sorgten, dass Entwicklung ohne das archaische Gesetz des Stärkeren den Lauf der Dinge bestimmen. Seit Jahrtausenden ist klar, dass Gewalt immer Gewalt gebiert; nichts anderes. Nur die Profiteure der Gewalt, konnten den Satz von Heraklid "Der Krieg ist der Vater aller Dinge" vollständig aus dem Zusammenhang reißen, umdeuten und so umformulieren, dass er ihren Interessen entspricht.
Seit
Jahrtausenden ist feststellbar, dass imperiales Machtstreben, Unterdrückung und
Profitgier die wirklichen Ursachen von Gewalt sind. Das mutwillige Verschieben
von Grenzziehungen, die Ausbeutung von unterjochten Völkern und die Beherrschung
z.B. von Handelswegen, führte immer zu Gegenbewegungen. Jede Annektierung von
Land, außerhalb des angestammten Lebensbereichs, mit dem Mittel des Krieges,
führte zu neuem Krieg. Jede Unterdrückung führte zur Rebellion. Jede gewaltsame
Bereicherung zu Lasten anderer, führte immer zu Begehrlichkeiten Dritter und
wieder zu Gewalt.
Dabei
spielt es keine Rolle, ob wir auf das pharaonische, römische oder britische
Imperium schauen. Es tut nichts zur Sache, ob Spanier und Portugiesen Lateinamerika
ausbeuteten, Japaner und Deutsche in China Menschen unterdrückten oder
Franzosen und Briten Afrika ausbeuteten. Es ist bedeutungslos, ob Perser,
Phönizier, Araber oder mittelalterliche Europäer die Seiden- oder
Weihrauchstraße beherrschten oder Portugiesen den Seeweg nach Indien,
US-Amerikaner den Panama-Kanal oder Briten den Suez-Kanal. Immer erzeugte es
Krieg und Gewalt.
Ich
möchte niemands religiöse Gefühle verletzen, doch ich muss das Folgende einfach
sagen: In diesem Zusammenhang waren die Religionen, wie sie sich auch immer
nennen, nie etwas anderes als billiges Blendwerk, mit dem man sich Dumme fing,
die einem das schmutzige Geschäft des Krieges betrieben. Millionen und
Abermillionen von Menschen wurden vordergründig im Namen von Religionen geschlachtet… ob auf Kreuzzügen, dem 30jährigen Krieg, der Conquista, der Reconquista oder in Nord-Irland – nie ging es um Glauben, immer ging es um Macht,
Ausbeutung und Profit.
Relikt
aus der Frühgeschichte
Ausnahmsweise
nehme ich es einmal nicht so genau und erspare es mir und Ihnen, eine Exegese
des alten Testamens der Bibel aufzuschreiben; erstens steht sie bei mir nicht
im Rang eines Dokuments und zweitens geht es nicht um Glauben, sondern um
Geschichtsschreibung (wobei man bei manchen Historikern vermuten darf, dass sie
das eine vom anderen nicht unterscheiden können – nicht nur was diesen Fall angeht).
Nichts desto trotz muss man weit in die Geschichte zurückgehen, um Geschehnisse in der näheren Vergangenheit zu verstehen: Auf einer Stele des
ägyptischen Pharaos Merenptah wird der Name Israel erstmals im 13. Jahrhundert
vor unserer Zeitrechnung erwähnt. Es handelte sich dabei wohl um so etwas wie
ein staatliches Gebilde, das im westlichen Bereich der Gegend bestand, die
heute die Ebene von Kanaan genannt wird.
Gleichzeitig
bestand daneben noch ein anderes Staatsgebilde mit der Bezeichnung Juda, dessen
Lage um Jerusalem verortet wird. Assyrer zerstörten beide Staatsgebilde. Juda
allerdings wurde, es liest sich wie eine Ironie der Geschichte, von den Persern
wiedererrichtet; wobei dieser Staat nie wirklich selbständig war, sondern unter
der Oberhoheit der Perser verblieb. Nach einer Phase der relativen
Selbständigkeit Judas unter den Makkabäern, zerstörten die Römer diesen Staat
erneut. Bereits in der Perserzeit bildete sich ein nicht-jüdischer Volksteil,
die Samaritaner, heraus, der die staatliche Tradition des alten Israel aufnahm;
in der Gegend des heutigen Nablus. Ein starker Exodus der Juden aus dem sog.
Nahen Osten erfolgte im Anschluss an die erfolglosen Aufstände gegen die Römer
mit starker Bevölkerungsumschichtung unter den Römern, Byzantinern, Arabern und Ottomanen.
Spätestens
nun begann das, was man später „Jüdische Existenz in der Diaspora“ nennen wird.
In den folgenden Jahrhunderten war diese Existenz allgemein geprägt von einem
Leben in fremden Kulturkreisen – was an sich schon schwer genug ist. Die Juden
waren darüber hinaus während der gesamten Zeit regelmäßig von Verfolgung und
Unterdrückung bedroht. Besonders in der christianisierten Gesellschaft bildete sich die Judenfeindlichkeit heraus, die zu Zwangstaufen,
Pogromen und Massenmorden führte. Schließlich bestand für die Juden der Zwang
sich zu assimilieren und sich in die jeweiligen Gesellschaften einzugliedern;
was vielen auch gelang (besonders gründlich in Deutschland.
Mitte
des 19. Jahrhunderts wurde der Antisemitismus Europa von interessierter Seite
wieder geschürt. Bei innen- oder außenpolitischen Schwierigkeiten macht sich
ein Sündenbock, an dem sich – ohne Gefahr für die eigentlich verantwortlichen
Machthaber – der Volks-Zorn entladen kann, immer gut. Damals gab es in Russland
sogar wieder Pogrome gegen Juden. Diese Zustände belebten bei einer wachsenden
Zahl – auch von an sich assimilierten – Juden in Europa, den Wunsch nach einem
eigenen sicheren Staat. Ein gewisser Theodor Herzl veröffentlichte 1896 in
seinem Buch "Der Judenstaat“ die Idee des sog. Zionismus, was schließlich
zu einer jüdischen Bewegung führte, die nach einem eigenen Staat für das
jüdische Volk strebte.
Die
Idee fand zu dieser Zeit auch einflussreiche nichtjüdische Unterstützer. Das
Ziel war eine politische Lösung mit offizieller Anerkennung der
Völkergemeinschaft. Es gab sogar einflussreiche arabische liberale Kreise, die
der jüdischen Einwanderung positiv gegenüberstanden und die Zionisten betrieben
eine Politik der friedlichen Koexistenz und Einigung mit den Arabern. Infolge dessen unterzeichneten 1919
Chaim Weizmann, als Vertreter der Zionistische Weltorganisation, und Faisal,
König von Syrien, ein Abkommen, in dem dieser die jüdischen Interessen in
Palästina anerkannte.
In
der Balfour-Deklaration von 1917 allerdings, hatte der britische Außenminister
Arthur J. Balfour schon der zionistischen Bewegung die Unterstützung
Großbritanniens für die Einrichtung einer "nationalen Heimstätte" des
jüdischen Volkes in Palästina versprochen. Gleichzeitig heißt es in der
Deklaration, die Rechte der ansässigen arabischen Bevölkerung müssten gewahrt
werden. Seit dem Faisal-Weizmann-Abkommen während der Pariser Friedenskonferenz
von 1919 kämpften die arabischen Kreise jedoch gegen die Stärkung der jüdischen
Einwanderung nach Palästina und die jüdischen Kreise fühlen sich an die Vereinbarung
der muslimischen Kontrolle über die heiligen Stätten des Islam im Sinne der
Balfour-Erklärung immer noch gebunden. Damit barg die Balfour-Deklaration
bereits das ganze Konfliktpotenzial.
Relikt
aus der Kolonialzeit
Den
imperialistischen Interessen Großbritannien in Nord-Afrika und der Arabischen
Halbinsel, stand das Osmanische Reich im Wege. Dazu brauchten sie Verbündete;
idealer Weise die Araber. In einer Korrespondenz zwischen Hussein ibn Ali und
dem britischen Hochkommissar in Ägypten, Henry McMahon, wurde bereits 1915/1916
den Arabern die Selbstständigkeit versprochen, wenn sie Großbritannien im Kampf
gegen die Osmanen unterstützen. Die Geschichte ist sehr bekannt… In der
offiziellen Geschichtsschreibung heißt es, dass Großbritannien, nach dem
Zusammenbruch des Osmanischen Reiches, vom Völkerbund das Mandat erhielt,
Palästina treuhänderisch zu verwalten.
Betrachtet
man allerdings die tatsächlichen Machtkonstellationen im Völkerbund, dann hat
sich GB das Mandat sozusagen selbst erteilt (es war etwa so wie heute mit den
USA und den Vereinten Nationen – braucht man unbedingt ein Mandat, ganz gleich
für was und mit welchen Begründungen, dann bekommt man es auch). Nun, was
schert sich eine Großmacht schon um die Interessen kleinerer Mächte oder sogar machtloser
Völker betrifft? Man verfährt einfach nach seinen Interessen… der Zeitenlauf
ändert eh alles oder man ändert eben den Zeitenlauf. Und auf ein Versprechen
mehr oder weniger kommt es auch nicht an! 1918 versprach die britische
Regierung, die Unabhängigkeit Palästinas zu fördern und hier einen Satellitenstaat
wie im damaligen Ägypten herzustellen.
Auch
vor der zionistischen Bewegung gab es schon jüdische Siedlungen in Palästina,
aber die aufgrund der britischen Versprechen regelrecht einsetzende
Einwanderung, brachte nun erste Konflikte mit den ansässigen Palästinensern.
Die sog. Mandatszeit der Briten war geprägt durch eine Erstarkung militanter
palästinensischer nationalistischer Gruppen; was ebenfalls mit dem oben
erwähnten britischen Versprechen zusammenfällt. Konflikte rührten etwa daher,
dass arabische Großgrundbesitzer ihr Land an Juden verkauften, es aber diesen überließen, die
dort ansässige arabische Bevölkerung zu vertreiben, die sich so von den Juden
"verjagt" fühlten; die Briten unterbanden nicht nur nicht diese
Praktiken, sie sahen sie mit Wohlwollen. Das war stets das Prinzip in ihren Kolonien
– Zwietracht vor Ort vermeidet, sich die „eigenen Hände dreckig machen zu
müssen“.
Die
alten herrschenden feudalen Kreise und die rechtskonservative Klasse der Großgrundbesitzer
sahen einerseits ihre Bedeutung in der Region schwinden, andererseits aber
sollte gesellschaftlich alles beim Alten bleiben. So schürte man eine
antijüdische Stimmung unter der arabischen Bevölkerung. Die Aufwiegelung der
arbeitslosen unterentwickelten Massen nahm zu… und die Juden hatten ja selbst durch
die Landvertreibung ihr Teil dazu beigetragen und trugen auch weiter dazu bei.
Die Entwicklungen in der Landwirtschaft, dem Städtebau und der Infrastruktur
macht – finanziell aus dem Ausland unterstützt – große Fortschritte und in den
schnell entstandenen jüdischen Unternehmen wurden zum größten Teil nur Juden
ein, wodurch sich die arabische Bevölkerung benachteiligt sah, da sie an dem
neuen Wohlstand nicht teilhaben durfte.
Wohlgemerkt:
Noch immer gab es keinen Israelischen Staat. Alles geschah unter den Augen und
der Duldung der Briten; denen das machtpolitisch nur recht sein konnte. Auf die
Landvertreibung durch die Juden, folgten Übergriffe von arabischer Seite. In
den Geschichtsbüchern werden diese Übergriffe von 1921 und 1929 leider Pogrome
genannt; das verschleiert die Tatsachen und lässt kaum eine andere Wahl als die
Parteinahme für die (armen, schon wieder verfolgten) Juden. In den Jahren 1936
bis 1939 kam es zum sog. Großen Arabischen Aufstand (der eigentlich zunächst
keiner war und sich eigentlich nicht gegen Juden richtete, der dann aber gerne
dazu gemacht wurde). Der sog. Arabische Aufstand im britischen Palästinamandat,
war zu Beginn nämlich nichts weiter als ein Generalstreik gegen die Briten.
Die
Mandatsmacht kam ihren Verpflichtungen (der Erfüllung der o.g. Balfour-Deklaration
gegenüber der Vorbereitung der Araber auf die Unabhängigkeit) nicht nach und
nahm eine pro-zionistische Haltung ein. Sie ließen es sehenden Auges geschehen,
dass sich die Juden nach der Besetzung Palästinas durch die Alliierten
organisierten – so übernahm z.B. eine "Versammlung der Gewählten" die
Aufgaben des Parlaments und sogleich die Strukturierung der Infrastruktur etc.
Die Araber lehnten eine ähnliche Selbst-Organisation ab: Sie warteten auf die
Erfüllung der Versprechen Großbritanniens; auf autonome Institutionen für den versprochenen
unabhängigen Staat der Araber.
Wieder
wird in der offiziellen Geschichtsschreibung gelogen. Dort ist zu lesen, dass
in Reaktion auf den Aufstand, jüdische Einwanderer die paramilitärische
Schutzorganisation Haganah gründeten; oft ist sogar zu lesen, dass auch die
Gruppen Irgun und die Stern-Gruppe so entstanden wären. Es gibt aber Protokolle
der britischen Palästine Police die besagen, dass es längst sogar illegale
Waffenlager dieser Gruppen gab und man sie als Terrororganisationen angesehen
würde. Die Terrorgruppe Irgun war es wohl auch, die den Funken lieferte, der
aus dem Streik einen Aufstand machte; der erste bekannte Anschlag der Irgun geschah
am 20. April 1936, bei dem zwei arabische Arbeiter einer Bananenplantage
getötet wurden.
Einen
nicht unbeträchtlichen „Beitrag“ zur Eskalation in Palästina, ergab sich ab
1933 aus der Judenverfolgung in Deutschland; die Emigration nach USA ist
weithin bekannt, die nach Palästina weitgehend unbekannt. Das verschärfte sich
noch nach 1939 mit dem von den Nazis begonnenen 2. Weltkrieg und dem
beginnenden Völkermord, als viele Juden aus Deutschland fliehen mussten,
während viele europäische Staaten (auch die Schweiz) sich weigerten, jüdische
Flüchtlinge aufzunehmen; nun gingen wirklich viele jüdische Flüchtlinge nach
Palästina, dem von jeher in ihrer Tradition Gelobten Land – auch weil die Juden
die illegale Einwanderung von Juden nach Palästina regelrecht organisierten.
Diese Ereignisse gaben dem Gedanken des Zionismus einen entscheidenden Anstoß.
Als dann auch nach Kriegsende die Einwanderung nicht freigegeben wurde,
richtete sich der bewaffnete Kampf der jüdischen Organisationen auch gegen die
britische Mandatsmacht, was mit dazu beitrug, dass die Briten das Palästinaproblem
1947 an die Vereinten Nationen übergaben.
Nach
dem Ende des 2. Weltkriegs, hatte sich die geopolitische Machtverteilung
gründlich geändert; während zu Völkerbundzeiten GB bestimmend war, agierte nun
die USA in gleicher Weise bei den Vereinten Nationen. In den Geschichtsbüchern
steht zu lesen, dass die Briten nach dem Zweiten Weltkrieg ankündigten, ihr
Mandat über Palästina aufgeben zu wollen… in Wirklichkeit wurden sie dazu von
den USA gezwungen (worauf ich später noch näher eingehe). Kurz nach Gründung
der Vereinten Nationen, der Nachfolgeorganisation des Völkerbundes, wurde am
29. November 1947 ein Teilungsplan für Palästina beschlossen (Resolution 181).
Es sollte ein jüdischer und ein arabischer Staat gegründet werden sollten.
Quasi
direkt nach den UN-Beschluss begannen zwischen jüdischen und arabischen Milizen
im Dezember 1947 ersten Kampfhandlungen, die sich später zum Palästinakrieg
ausweiteten. Nach der Unabhängigkeitserklärung des Staates Israels am 14. Mai
1948 wurde dieser auch von den regulären Armeeeinheiten einer Allianz der arabischen
„Nachbar-Staaten“, die den UN-Teilungsplan für Palästina ebenfalls nicht
akzeptierten, am 15. Mai kurz nach 0 Uhr angegriffen; weshalb die Israelis
diesen Krieg auch am liebsten Unabhängigkeitskrieg nennen. Wieder hatte Gewalt
nichts anderes als Gewalt erzeugt… und sie sollte weiter und weiter Gewalt erzeugen.
Der
britische Kolonialismus im Nahen Osten
Wie
ich in der Einleitung zu diesem Teil versucht habe zu zeigen, gibt es im Grunde
eigentlich nur wirtschaftliche Interessen für imperiales Machtstreben,
Unterdrückung und Profitgier. Als koloniale Seemacht mit großem
wirtschaftlichem Engagement vor allem in Indien und Fernost, galt
Großbritanniens Interesse sicheren und wirtschaftlich günstigen Seewegen. Nach
der Eröffnung des Suez-Kanals am 17. November 1869, versuchte GB alles, um
Einfluss in diesem Gebiet zu erhalten; erstens weil er den ganzen Weg um Afrika
herum ersparte, zweitens weil das strategisch die Konkurrenz behindert und
drittens weil man damit auch noch Geld verdienen kann. Der Kanal wurde von der
französischen Suezkanal-Gesellschaft „Compagnie Universelle du Canal de Suez“
und Ägypten als Aktiengesellschaft betrieben, war anfangs jedoch hochgradig unrentabel
und so stand Ägypten bald kurz vor dem Bankrott.
Die
Briten sprangen den Ägyptern bei und 1875 übernahm die Regierung von
Großbritannien den Aktienanteil Ägyptens und erhielt damit entscheidenden
Einfluss auf den Kanal. So einfach sollte es allerdings nicht gehen und in der
Bevölkerung regte sich Widerstand gegen den Einfluss der Briten, der letztlich
(absichtlich gefördert oder absichtlich nicht im Keim verhindert) zu Aufständen
führte; deren Niederschlagung (1882) die Besetzung Ägyptens durch
Großbritannien zur Folge hatte. So war der Kanal quasi ihnen. Das sieht
natürlich in der Öffentlichkeit nicht nach der feinen britischen Art aus… Also bestellte man am 29. Oktober 1888 zu
einer Konferenz im heutigen Istanbul, anlässlich der man sich die Konvention
von Konstantinopel beschließen ließ. Hierin wurde der Sueskanal zu einer
neutralen Zone erklärt und die freie Durchfahrt für Handels- und Kriegsschiffe
proklamiert. Sie sollte in Friedens- und Kriegszeiten gelten. Die
Schutzherrschaft wurde, nun ganz offiziell und dem Status nach internationalem
Recht, Großbritannien übertragen. Alles blieb zwar wie vorher, aber die Briten
waren jetzt wieder die Guten.
Auch wenn
man es vielleicht nicht mehr hören oder lesen mag, auch damals schon ging es um
das Erdöl. Schon Mitte des 19. Jahrhunderts begann man, Erdöl kommerziell zu
nutzen und dadurch begann auch dessen kommerzielle Förderung. Zunächst galt es
als Ersatz für den traditionellen Lampenbrennstoff: das Walöl. Das allerdings
war nur in begrenzten Mengen verfügbar und die Transportwege wurden immer länger
und damit teurer. Der kanadische Arzt und Geologe Abraham Gessner erwarb 1852
ein Patent auf die Herstellung eines relativ sauber brennenden, preisgünstigen
Lampenbrennstoffes aus Rohöl: Es wurde Petroleum genannt.
Der
Brite Marcus Samuel, Gründer der Ölfirma Shell, war im Kolonialhandel aktiv,
als er 1897 in Borneo Öl fand. Aufgrund der weiten Entfernungen war man zu Erfindungsreichtum
gezwungen; aus dieser Zeit datiert die Entwicklung moderner Öltanks sowie
großer Seetankerschiffe. Der Suez-Kanal war plötzlich noch wichtiger…
schließlich ist die Geschichte des Aufstiegs moderner industrieller
Nationalstaaten ohne das Öl nicht denkbar. 1901 erhandelte der Brite D'Arcy vom persischen Schah eine Ölförderkonzession für 60 Jahre und fand 1908 Öl. Da sein
Konsortium fast pleite war, sprang die britische Admiralität ein und übernahm
die Anglo-Persian Oil zu 51 Prozent in staatlichen Besitz, aus der später die
British Petroleum wurde. Damit hatte die britische Kolonialmacht neben dem
unsicheren Kantonisten Shell eine staatlich kontrollierte und für nationale
Interessen einsetzbare Ölgesellschaft. Öl war für die Industrienationen zu
wichtig geworden, um einfach der kapitalistischen Privatwirtschaft überlassen zu werden.
Deutsche
Bank und Shell gründeten zusammen mit der osmanischen Turkish National Bank und
dem armenischen Millionär Calouste Gulbenkian 1912 die Turkish Petroleum
Company (TPC), die sich vor dem 1. Weltkrieg Ölförderkonzessionen in
Mesopotamien gesichert hatte. Nach dem ersten Weltkrieg und der Niederlage des
Osmanischen Reiches wurden die Deutschen ausgebootet, die französische
Ölgesellschaft stieg ein; GB und Frankreich bestätigten sich das im Abkommen
von San Remo 1920, aber der neue türkische Nationalstaat Atatürks machte dem
von beiden Kolonialmächten festgelegten Irak Gebiete streitig und sprach der TPC
die legale Grundlage ab. Den Kolonialmächten wurde die beständige Gefahr der
Nationalisierung bewusst und sie wandelten die TPC um in die Iraq Petroleum Company.
Doch
nach dem Zweiten Weltkrieg gab es in den Förderländern einen allgemeinen Trend
zur Verstaatlichung. Die Ölgesellschaften wollten zwar eigenständige Konzerne
bleiben, aber die Verstaatlichungen bedrohten ihre Profite und so warfen sie
sich immer wieder in die Arme ihrer Entstehungs- oder Herkunftsstaaten, weil
nur Staaten in der Lage waren, Kriege zu führen und ihnen den Zugang zu den
Ölquellen wieder zu eröffnen. Es waren die Ölgesellschaften der alten
Kolonialmächte Großbritannien und Frankreich, gegen die sich die neuen Nationalstaaten
im Nahen Osten zunächst richteten. Der iranische Ölminister Mossadeq verstaatlichte
1951-53 die iranische Ölindustrie und warf die BP aus dem Lande. Als
Schah-treue Generäle Mossadeq mit Hilfe des CIA wieder absetzen konnten,
bedeutete das gleichzeitig den Zugang von US- Ölfirmen in den Iran (siehe
hierzu auch den Artikel „Die Ökonomie des Krieges – Oder warum Kriege nicht
enden… Teil 2 – Der dritte Weltkrieg…“). Großbritannien zog sich als
Militärmacht erst 1970 ganz aus dem Nahen Osten zurück. Die US-Ölgesellschaften
hatten zunächst einen guten Ruf als Alternative, weil die USA die
antikolonialen nationalistischen Bewegungen zunächst noch unterstützt hatten
und im Nahen Osten selbst als ursprünglich antikoloniale Macht empfunden wurden.
Arabischer
Nationalismus
Den
Kolonialmächten war die beständige Gefahr der Nationalisierung sehr bewusst.
Deswegen versuchten sie in den von ihnen verwalteten Territorien wenigstens den
Anschein zu erwecken, dass die Menschen eine „eigene“ Führung hätten. Wie die
Kolonialmächte damals mit den von ihnen verwalteten Territorien umgingen,
verdeutlicht das Schicksal des Königs Feisal: er wurde von den Briten zuerst
auf den syrischen Thron verfrachtet. Da Syrien jedoch Frankreich zufiel,
setzten ihn die Briten wieder ab, und weil sie nun einen Monarchen für den Irak
brauchten, setzten sie ihn kurz darauf als König von Irak ein. Dass solche Marionettenregime,
von denen wir nach dem Irak-Krieg wieder eines erleben, keinen Bestand hatten,
lässt sich denken. Sie wurden in allen arabischen Ländern bald von
nationalistisch-militaristischen Regimen hinweggefegt, die zugleich
anti-britisch wie später auch durchweg anti-israelisch waren.
Rudolf
Rocker schrieb in seinem Aufsatz „Der Nationalismus – eine Gefahrenquelle!“
schon 1952: "Der ganze arabische Nationalismus war von Anfang an ein
künstliches Gebilde, dessen Entstehung viel mehr der auswärtigen Politik
rivalisierender europäischer Großmächte zu verdanken ist als den eigentlichen
Bestrebungen der zahlreichen arabischen Völkerschaften. Den Beduinenstämmen,
die in manchen arabischen Staaten einen beträchtlichen Teil der Bevölkerung
bilden, war der Begriff des Nationalismus schon deshalb fremd, weil sie als
Nomaden überhaupt keine festen Wohnstätten besitzen. (...) Man darf überhaupt nie
vergessen, dass der gesamte arabische Nationalismus seine ganze Existenz nur
einer kleinen intellektuellen Schicht zu verdanken hatte und von den kleinen
arabischen Machthabern unterstützt wurde, weil sie glaubten, ihre dynastischen
Interessen damit fördern zu können, wobei die größeren von ihnen stets von dem
Wunsch besessen waren, die neue Idee von der 'Arabischen Bruderschaft' früher
oder später dazu benutzen zu können, um die Hegemonie über die arabische Welt
zu erringen. Die Völker spielten dabei überhaupt keine Rolle."
Spätestens
jetzt schließt sich der Kreis zum Anfang dieses zweiten Teils. Die Kolonialmächte,
und im Falle Palästina besonders GB, hatten also nie wirklich ein Interesse am
Zustandekommen von Nationalstaaten. Zudem mussten die Briten das Gebiet wofür
sie wirklich Interesse hatten (Suez und Erdöl) nach Norden hin gegen die Türken
(und deren Verbündeten – Das Deutsche Reich) schützen; die Türken hatten wegen
der schmählichen Niederlage des Osmanischen Reiches noch eine Rechnung offen,
Deutschland war Konkurrent auf dem Weltmarkt und rüstete aggressiv. Dazu war
das Mandatsgebiet im Zustand eines instabilen Palästina grade gut genug.
Neue
Kolonien… neuer Kolonialismus
Die
USA wollten als Hauptgewinner des Zweiten Weltkriegs die Britischen Erölquellen
im Nahen Osten beerben. Der britische Verhandlungsführer Lord Halifax
telegrafiert 1944 aus Washington nach London, dass „’die Amerikaner
schockierend mit uns umspringen’. ... Roosevelt empfing ihn noch am selben
Abend im Weißen Haus. Ihr Gespräch konzentrierte sich auf den Nahen Osten. Um
zu einem Kompromiss zu kommen, zeigte Roosevelt ihm eine grobe Skizze, die er
von der Region gemacht hatte. ‚Das persische Öl ... gehört Ihnen. Das Öl im
Irak und in Kuwait teilen wird uns. Und was das saudische Öl betrifft, das
gehört uns.’“ (zitiert nach Daniel Yergin).
Die
weltweite „Schutzmachtkontrolle“ ging nach und nach von Großbritannien auf die
Vereinigten Staaten über...und die Machtverhältnisse auf dem Ölmarkt wurden neu
gemischt. In der Folgezeit kam „annähernd die Hälfte des Öls für Europa ... von
amerikanischen Firmen, was bedeutete, dass dafür in Dollar zu bezahlen war. Für
die meisten europäischen Länder war Öl der größte Einzelposten in ihren
Dollarbudgets. 1948 wurde geschätzt, dass in den folgenden vier Jahren mehr als
20 Prozent der gesamten Marshall-Plan-Hilfe für die Importe von Öl und
Öltechnik aufgewendet werden mussten. Es ist die fundamentale Tatsache, dass
der Marshall-Plan eine weitreichende Veränderung in Europa ermöglichte und
vorantrieb – aber nicht nur zum Nutzen und Frommen der Europäer (wie gerne in
den Geschichtsbücher geschrieben wird),
sondern vor allem zum Nutzen der US-Ölkonzerne. Nicht zufällig fällt die Zeit
des Übergangs von einer kohlegestützten Wirtschaft zu einer, die von
importiertem Öl abhängt, in diese Zeit.
Mit
dem wirtschaftlichen und politischen Zusammenbruch der Sowjetunion ist die
politische und militärische Blockade der kapitalistischen Mächte entfallen.
Diese gewachsene Handlungsfreiheit nutzten sie sofort in den Balkankriegen
(Bosnien und Kosovo), die Jugoslawien als unbequeme und selbständige Macht auf
dem Balkan beseitigten und den gesamten Balkan unter die Kontrolle der Europäischen
Union und der NATO brachten. Auch die EU-Osterweiterung und die
NATO-Erweiterung nach Osten brachten und bringen eine Machtausdehnung der alten
Kolonialmächte. In gewisser Weise spielte der Irak-Krieg für die Golfregion die
Rolle, die die Bosnien- und Kosovo-Kriege auf dem Balkan spielten: Die Unterwerfung
einer selbständigen Regional-Macht soll die Kontrolle über ganze umliegende Region verschaffen –
bei Jugoslawien die Kontrolle über den Balkan, beim Irak über die Ölregion des
Nahen Ostens. Michel Chossudovsky schrieb: „Hinter der US-Kampagne gegen den internationalen
Terrorismus steht die Militarisierung großer Weltregionen, die zu dem führt, was man am besten als ‚Amerikanisches Imperium’ beschreiben kann. Das
verschwiegene Ziel dieses Krieges ist die Rekolonialisierung – eine Rekolonialisierung,
bei der es darum geht, souveräne Staaten in koloniale oder halbkoloniale
Territorien zu verwandeln.“
Warum
es keine Ruhe im Nahen Osten gibt
Nirgends
auf der Welt sind die Verfechtungen von Großkonzernen und Regierung so
ausgeprägt wie in den USA; nicht zuletzt die Ära Bush hat das – wie keine
andere – sichtbar gemacht. Die nach dem 2. Weltkrieg in Kraft tretenden
Bestimmungen der Konferenz von Bretton Woods, brachten den USA wirtschaftlich
und politisch weltweit die Führungsposition ein, weil sie den US-Dollar zur
Leitwährung machten. Auf dem Gipfel der Macht konnten die USA mittels eines
„Dollarimperialismus“ herrschen. Gleichzeitig stieg der Einfluss gerade der
international operierenden Ölwirtschaft enorm. Bis einschließlich 1947
exportierte Amerika mehr Öl, als es importierte. Doch dann kehrte die Bilanz
sich um; 1948 übertraf die Einfuhr von Rohöl und Ölprodukten erstmals die
Ausfuhr.
Diese
Verschiebung verlieh der leidigen Frage der Versorgungssicherheit eine neue
Dimension. Die Lektionen aus dem Zweiten Weltkrieg, die wachsende
wirtschaftliche Bedeutung des Öls und die Größe der Vorkommen im Nahen Osten
trugen vor dem Hintergrund des beginnenden Kalten Krieges mit der Sowjetunion
dazu bei, den gesicherten Zugang zu diesem Öl zu einem Kernelement des amerikanischen,
britischen – und westeuropäischen – Sicherheitsdenkens werden zu lassen. Öl war
der Punkt, an dem Außenpolitik, internationale Wirtschaftsbestrebungen,
nationale Sicherheit und Unternehmensinteressen konvergierten. Im Brennpunkt lag der Nahe
Osten. Dort waren die Firmen bereits mit dem raschen Ausbau der Förderung und
der Ausarbeitung neuer Arrangements zur Sicherung ihrer Positionen
beschäftigt.“ (zitiert nach Daniel Yergin).
Jede
Art von Unruhe oder Kriegsgefahr im Nahen Osten wirkt sich auf den Ölpreis aus,
weil in der Region die wichtigsten Ölreserven der Welt lagern… und so sind
diese Unruhen auch „Geschäftsgrundlage“ von Kreisen, die an steigenden
Ölpreisen Interessiert sind. Diese Kreise sind bekanntermaßen die mit der
Regierung der USA eng verflochtenen Ölkonzerne und die Spekulanten, die
Vorkaufsrechte für knapp die Hälfte des weltweit gehandelten Rohöls halten
Wilfried John
Teil
III folgt – Es gibt keine Gewinner
Kommentare
Kommentar veröffentlichen