Die Selbstverständlichkeit als Geschäft – Zum Weltwasserforum in Istanbul
Die Selbstverständlichkeit als Geschäft –
Gedanken zum
Weltwasserforum
Man muss das Unmögliche fordern, damit das
Mögliche erreicht wird.
Helmuth von Moltke / Che Guevara
Helmuth von Moltke / Che Guevara
Wasser. Es gibt für uns Dinge, die wir für so selbstverständlich halten, dass wir uns selten Gedanken darum machen. Eines davon ist Trinkwasser. Auch wenn uns bekannt ist, dass es in weiten Teilen der Welt Probleme bei der Trinkwasserversorgung gibt, scheint es uns als sei das alles weit entfernt; wir müssen doch nur den Wasserhahn aufdrehen. Regenmangel, der in vielen Ländern des Südens regelmäßig zu Dürren führt und jedes Jahr Hunderttausenden das Leben kostet, ist hier (noch) unbekannt; eher schimpfen wir kollektiv über verregnete
Sommer etc.
Für den naiven Betrachter scheint die Tatsache,
dass es auf der Welt das Problem Wassermangel gibt, nicht nachvollziehbar, da
doch die Erdoberfläche zu zwei Dritteln von Wasser bedeckt ist. Schon richtig, jedoch
nur ein Prozent des weltweiten Wasservorkommens, ist als Trinkwasser verfügbar.
Um das Wasser bildeten sich so allgemeine Sätze wie: Wasser ist Leben. Doch
scheint es mir, als ob viele in unserem Kulturkreis diesen Satz nicht
konsequent zu Ende denken (wollen); z.B. wenn er in den Zusammenhang mit der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte
gestellt wird. Dann lautet der Satz: Wasser ist Leben und das Leben für alle
da.
Das sehen aber längst nicht alle Menschen so.
Eine kleine Gruppe sehr mächtiger und sehr wohlhabender Menschen hat die Selbstverständlichkeit
zu einem sehr einträglichen Geschäft gemacht und versucht alles ihren Einfluss
auszubauen und zu festigen, damit sie noch größere Geschäfte damit machen
können. Betrachten wir uns Berichterstattung in den Massenmedien in den letzten
Jahren (und ich habe wirklich intensiv recherchiert) fällt auf, dass dieses
Thema kaum vorkommt. Das ist verdächtig! Offenbar stecken mächtige Interessen dahinter,
das Thema "Monopolisierung des Wassers" nicht ins Bewusstsein der
Bevölkerungen zu bringen. Dieses Thema ist die Nummer eins unter den vernachlässigten
Themen bei der Medienberichterstattung in den vergangenen Jahren.
Das für Mensch und Natur überlebenswichtige
Element soll mehr und mehr auf den Status einer handelbaren Ware reduziert
werden, das gewinnträchtig verkauft und gekauft werden kann wie alles andere
auch. Transnationale Konzerne versuchen in Zusammenarbeit mit der Weltbank, dem
IWF und der WTO das Trinkwasser zu privatisieren und auf dem freien Markt als
Handelsware anzubieten. Ein profitables Geschäft, wenn man bedenkt, dass sich
der Verbrauch sich alle 20 Jahre verdoppelt. Vor allem in den Ländern des
Südens steigt der Bedarf kontinuierlich… und gerade dort ist es den mächtigen
Institutionen im Konzert mit den Konzernen gelungen, dieses neoliberale
Privatisierungs-Projekt am weitesten voran zu treiben. Aber gerade dort kann
man auch sehen, wohin das führt: Zu mehr Elend, denn auch in den ärmsten Ländern
werden die Preise für Wasser ständig erhöht.
Die Ausgangslage
Bei einem Treffen von Wasserexperten der
UNESCO, das in Paris stattfand und das zur Vorbereitung des Weltwasserforums in
Istanbul diente, forderten Wasserexperten ein Umdenken bei der
weltweiten Wasserversorgung. Nach ihrer Studie sei etwa jeder siebte Mensch auf
der Erde (das sind über 1.000.000.000 Menschen) ohne, ohne ausreichend oder ausreichend sauberes Trinkwasser. Dabei würde
Trinkwasser nicht nur in Entwicklungsländern zur Mangelware, sondern auch in
Europa knapper.
Wegen des Bevölkerungswachstums und des
Klimawandels drängen die Wasserexperten darauf, die weltweite Wasserversorgung
zu überdenken. Die vorhandenen Vorräte müssten effizienter genutzt werden,
sonst könnten in ca. 30 Jahren doppelt so viele Menschen von Wassernot
betroffen sein. Dabei darf man das Augenmerk nicht allein nur auf das Wasser
als trinkbares Element richten. Denn 70 % des Trinkwassers fließen, den Angaben
der UNESCO zufolge, weltweit in die landwirtschaftliche Produktion; 16 000
Liter Wasser werden allein für die Erzeugung von einem Kilogramm Rindfleisch
benötigt – das gar nicht gebraucht würde, wenn die Menschen des reichen Nordens
die Verschwendung von Lebensmitteln reduzierten.
Laut Berechnungen des Stockholmer
Wasserinstituts SIWI werden allein in den USA jährlich ein Drittel aller
Lebensmittel weggeworfen (nun gibt es auch Zahlen für Deutschland – siehe Aktualisierung).
Für die Produktion dieser Lebensmittel seien 40.000 Milliarden Liter Wasser
verbraucht worden oder so viel, wie es dem jährlichen Wasserbedarf für 500
Millionen Menschen entspreche. Würde man diese Verschwendung nur halbieren,
könnte nicht nur der Wasserverbrauch sinken, sondern damit die Zunahme des Nahrungsmittelbedarfs
bis zum Jahr 2050 gedeckt werden. Zudem gingen durch Leckagen in
Wasserleitungen allein in den USA 40 Prozent des geförderten und aufbereiteten
Trinkwassers verloren. Nach einer Untersuchung eines Wasserversorgers in
Deutschland, dürfte der Verlust durch Leckagen hierzulande bei ca. 20% liegen.
Und obendrein gibt es riesigen Investitionsbedarf für marode oder
nichtvorhandene Abwasseraufbereitung.
In einem anderen Bericht, dem jüngsten
Wasserbericht mit dem Titel "Wasser in einer sich verändernden Welt",
schreibt dieselbe UNESCO Klartext: Wasser wird in Zukunft noch knapper werden.
Nach diesem Bericht werden im Jahr 2030 fünf Mrd. Menschen noch immer keine
ausreichende Sanitärversorgung besitzen, insofern nicht sofort einschneidende
Maßnahmen getroffen würden. Eine entscheidende Rolle spiele auch der gewandelte
Lebensstil, der in heute noch unterentwickelten Ländern zu einem höheren
Fleisch- und Milchkonsum führt. Aber auch der Lebensstil in den entwickelten
Ländern ist Ursache für Mangel in den unterentwickelten Ländern; z.B. weil für
einen Liter Biodiesel bis zu 4.000 Liter Wasser nötig sind, hat auch der
Anstieg sog. alternativer Treibstoffe der letzten Jahre den Wasserverbrauch entscheidend
erhöht.
Zwar gehen Schätzungen davon aus, dass in sechs
Jahren die ganze Welt (außer die afrikanischen Länder südlich der Sahara)
ausreichend mit Trinkwasser versorgt ist, aber vom Ziel der weltweiten
sanitären Versorgung ist man jedoch weit entfernt. Das betrifft derzeit eine
halbe Mrd. Menschen alleine in Afrika sowie andere Regionen der Erde. Um das UN-Millenniumsziel
der ausreichenden Wasserversorgung zu erreichen, müssen bisherige Anstrengungen
verdoppelt werden, fordert der UN-Bericht. Das würde zugleich jede zehnte
Krankheit weltweit verhindern; ca. 3.900 Kinder sterben täglich an Infektionen,
die durch unsauberes Trinkwasser übertragen werden.
Heimliche Strategie: Wasserprivatisierung
Allenthalben ist die Krise/der Zusammenbruch
des Finanzsektors in aller Munde. Auch wenn kaum jemand das kapitalistische
System an sich in Frage stellt, so sind sich die seriösen Beobachter doch
zumindest darin einig, dass die wichtigste Ursache in den ungeregelten oder deregulierten
Märkten liegt. Es ist schlicht ein Versagen der über Jahrzehnte gepriesenen
Rezepte der neoliberalen Marktideologie zu konstatieren. Wer aber glaubt, dass
diese Rezepte nur eben auf den Finanzsektor angewendet wurden, irrt gewaltig.
Eines der Hauptziele der Transnationalen Konzerne, die im Zusammenwirken mit
ihren mächtigen Verbänden am meisten von solchen Zuständen profitieren, ist die
Privatisierung der Daseinsvorsorge; wozu nicht nur Rente, Gesundheit und
Energie gehört, sondern eben auch die Wasserversorgung.
Transnationale Konzerne versuchen in
Zusammenarbeit mit der Weltbank, des IWF und der WTO das Trinkwasser zu
privatisieren und auf dem freien Markt als Handelsware anzubieten. Im Schatten
der weltweiten Krise des Finanzsektors und trotz des beschriebenen Scheiterns
der neoliberalen Konzepte, versuchen die transnational agierenden Konzerne
weiterhin die Kontrolle über dieses Gut zu gewinnen… und somit die Preise nach
Gutdünken festzulegen.
Natürlich geht es nur ums Geschäft; und um was
für eins. Der Markt weltweit: geschätzte 430 Milliarden Euro Umsatz im Jahr
2010 allein für Privatfirmen, mit weiteren Steigerungsraten. National: derzeit
rund 20 Milliarden Euro Umsatz (für kommunale und private Anbieter). Die
größten Anbieter weltweit: Suez und Vivendi, RWE. National: Gelsenwasser (Eon),
mehr als 6000 meist kommunale Versorger. Man schätzt, dass nach einer neuen
Privatisierungswelle, die es – geht es nach den Wünschen der WTO – nach Abschluss der Verhandlungen in Doha/Katar geben könnte,
nur noch rund 100 selbstständige Anbieter weltweit geben wird; dominiert von
den oben genannten Firmen.
Doch das ist nicht die einzige Gefahr. Selbst
konservative Politiker, wie z.B. Heiner Geißler (CDU – ehemals Minister im
Kabinett Kohl), fürchteten um eine Legitimationskrise der Demokratie, wenn
Transnationale Konzerne solche Monopolstellungen und die daraus sich ergebende Macht
erlangen. 1997 z.B., drohte Malaysia, das im Besitz der Hälfte des Trinkwassers
von Singapur ist, die Wasserlieferung einzustellen, da es mit der Politik des
Nachbarstaates nicht einverstanden war. Nicht auszudenken, sagen Sie, wenn
Konzerne so drohen könnten? Nun, sie können schon sehr viel: Das
us-amerikanische Großunternehmen Bechtel verdoppelte nach der Privatisierung
der Wasserversorgung in Cochabamba/Bolivien den Preis für Trinkwasser und
musste sich dann nach massiven Protesten aus dem Land zurückziehen. Bechtel
verklagte daraufhin das bettelarme Land auf 20 Milliarden Dollar
Schadensersatz. Das WTO-Schiedsgericht entschied, dass Bolivien jetzt 12
Milliarden US-Dollar an den Bechtel Konzern für entgangene Profite zahlen muss.
Aktuelle Studien zeigen, dass die
Privatisierung des Trinkwassers bisher zudem zu keiner Verbesserung der
Versorgung der ärmeren Bevölkerungsschichten weltweit führte. Die Konzerne sind
daran nicht interessiert. Ähnlich wie bei der Energieversorgung in Deutschland,
wo Energiebeschaffung, Verteilung und Versorgung der Endkunden oftmals durch
ein einziges Unternehmen abgedeckt wird, soll es auch beim Wasser werden. Kein
Kartellamt wird das verhindern, denn die Entscheidungen des Bundeskartellamtes
sind womöglich politisch beeinflusst, da die Übernahmen vom Wirtschaftsministerium
unterstützt werden. Die deutschen Konzerne sind auch massiv am Aufkauf der Energie-
und Trinkwassernetze weltweit beteiligt (RWE ist das weltweit drittgrößte
Unternehmen im Wassersektor). All dies fand und findet in der Weltpresse kaum Beachtung.
An vorderster Front bei der Privatisierung
stehen Institutionen wie die Weltbank, der Internationale Währungsfonds (IWF)
und die Welthandelsorganisation (WTO), insbesondere über das Dienstleistungsabkommen
GATS, in dem u.a. Bildung, Gesundheit und auch Wasser zur Ware werden. Der IWF
zwingt bei den Strukturanpassungsmaßnahmen insbesondere die ärmsten und hoch verschuldeten
Länder Afrikas dazu, einer Privatisierung der Wasserversorgung zuzustimmen. Die
Weltbank knüpft zum Beispiel in Ghana die Vergabe von neuen Krediten an die
Privatisierung des Wassers. Das GATS-Abkommen, also das Abkommen über den
Handel mit Dienstleistungen, verpflichtet die Staaten, das Wasser privaten
Käufern zugänglich zu machen, sonst werden sie bei dem WTO-Schiedsgericht verklagt, wie
im Falle von Bolivien.
Erfahrungen mit der Wasserliberalisierung
Wasserprivatisierung bedeutet, dass ein Konzern
das Wasser einer Region kauft. Komplett. Das Grundwasser, das Quellwasser, das Flusswasser
(in einigen Regionen)... auch das Regenwasser. Diese Erfahrung mussten die
Menschen in Großbritannien seit 1987 machen, seit mehreren Jahren wird sie
überall auf der Welt gemacht. In Deutschland hat man seit ca. einem Jahr damit
angefangen und derzeit wird von Konzernen wie RWE massiv intensiviert.
Was das genau bedeutet und welche Auswirkungen
das hat, wird an vielen Beispielen aus anderen Ländern klar: In Großbritannien
wurde 1989 die Wasserversorgung und die Abwasserentsorgung vollständig privatisiert.
Ergebnisse: Die Umsatzerlöse haben sich fast verdoppelt (von 3 Mrd. auf 5,8
Mrd. Pfund jährlich; die Gewinne sind um das Zweieinhalbfache gestiegen (von
2,1 Mio. auf 9,3 Mio. Pfund; Direktoren- und Managementgehälter stiegen um das
Viereinhalbfache (von 2,1 Mio. auf 9,3 Mio. Pfund; diese Summe beinhaltet nicht
ihre Aktienanteile im Wert von 24 Mio. Pfund). Gleichzeitig haben sich die
Wasserpreise nahezu verdoppelt; 2 Millionen Menschen waren 1994 im
Zahlungsverzug mit ihren Wasserrechnungen, und 12.500 Haushalten wurde allein
in diesem Jahr das Wasser abgestellt. Das Auffangen von Regenwasser ist in
Wales strafbar. Bauern müssen eine Steuer für Regenwasser zahlen, das auf ihr
Land fällt. Deshalb mussten viele in Konkurs gehen.
Frankreich. Ein Zitat aus einem Gutachten der
Bundesregierung soll an dieser Stelle reichen: „Während die Wasserversorgung in
den Städten überwiegend von privaten Anbietern übernommen wird, werden Wasserversorgungssysteme
in ländlichen Raum zumeist von kommunalen Unternehmen betrieben. Ein Grund für
die vergleichsweise geringere Verbreitung der privaten Leistungserstellung im
ländlichen Raum ist in den Transaktionskosten der Delegation von Versorgungsleistungen zu
suchen, die bei extrem kleinen Versorgungsgebieten unverhältnismäßig hoch sein
können. ...Allerdings liegen die Wasserpreise in den von privaten Anbietern
versorgten Gemeinden im Durchschnitt 30 % über den Preisen in den von kommunalen Unternehmen versorgten Gemeinden. ...Berichte über Korruptionsskandale
sowie die seit 1996 stark gestiegenen Preise beeinträchtigen die Akzeptanz
privater Versorgungslösungen bei den Verbrauchern."
Niederlande. In oben erwähnten Gutachten ist zu
lesen: „Im Jahr 2000 hat die Regierung die Privatisierung der Wasserversorgung
gegen den Widerstand des Wirtschaftsministeriums und der Gemeinden
verboten". Der Grund allerdings wird in dem Gutachten verschwiegen.
Aufgrund des mit Legionellen verseuchten Trinkwassers hatte sich die
öffentliche Meinung geändert. Man wollte keine Privatisierungen mehr.
In der BRD schreitet die Privatisierung der
kommunalen Wasserversorgung ebenfalls voran, beispielsweise am Bodensee: Am 20.
November 2001 beschloss die Bodensee-Wasserversorgung die Vermietung ihrer
Anlagen an eine US-Treuhandgesellschaft (Trust), für mindestens 29 Jahre. Der
Wasserversorger wollte damit 50 Mio. DM (ca. 25 Mill. Euro) sparen; Modell
stand die Wasserprivatisierung ist Großbritannien durch Margaret Thatcher. Es
kam zu einer massiven Erhöhung von Krankheiten, die durch von Keimen
kontaminiertes Wasser ausgelöst werden (Hepatitis A um 200%, Dysentery um
600%). Aber die Profite der Konzerne und ihrer Chefs erhöhten sich noch
massiver.
Weltwasserforum in der Türkei
Das 5. Weltwasserforum (WWF) tagt vom 16.-22.
März 2009 in Istanbul/Türkei. Bis zu 20 000 Teilnehmende werden auf diesem
Forum erwartet, das sich dieses Mal mit dem übergreifenden Thema „Bridging Divides
for Water“ (Wasserdifferenzen überwinden) beschäftigen wird. Das
Weltwasserforum ist die größte Veranstaltung zur Wasserfrage in der Welt und
findet alle drei Jahre statt. Es wird vom Weltwasserrat organisiert, einer
Initiative, an der vor allem internationale Organisationen, berufsständische
und Forschungseinrichtungen sowie Regierungsbehörden beteiligt sind. Das WWF
ist eine einheitliche Plattform, in deren Rahmen die unterschiedlichsten
Akteure des Wassersektors zusammentreffen, um zu debattieren und Lösungen zu finden.
Einschränkungen in der Teilnahmeregelung gibt es (offiziell) nicht.
Was sich so vornehm liest, ist in Wahrheit
alles andere als fein. Das WWF wird von Privatunternehmen beherrscht. Eine
Beteiligung oder gar Information der Öffentlichkeit ist nicht der Anspruch des
WWF. Es handelt sich um einen technokratisch und ökonomisch orientierten Blick
auf die Wasserressourcen der Welt. Beim WWF handelt es sich nicht etwa um ein
formell legitimiertes und anerkanntes politisches Gremium. Es ist weder
berechtigt noch befähigt, politische relevante Leitlinien für eine internationale
oder nationale Wasserpolitik zu formulieren. Das WWF wird vom sog.
Weltwasserrat organisiert. Der Weltwasserrat, gegründet 1996, besteht
seinerseits aus 323 verschiedenen Firmen wie Suez (Frankreich), Tokyo
Construction Consultant und US Army Corps of Engeneer Civil Works, neben
internationalen Organisationen wie UNEP und der Weltbank, von welcher das Forum
auch maßgeblich finanziert wird. Der Rat ist also ein privater Think Tank,
geleitet vom CEO eines Tochterunternehmens des transnationalen Wassergiganten
Suez. Selbstverständlich unterstützen die Konferenzveranstalter nach wie vor Privatisierungen,
obwohl es in den letzten Jahren zahlreiche Beispiele gescheiterter Beteiligungen der Privatwirtschaft gab, und obwohl der Widerstand
in den Gemeinden gegen die Einbeziehung von privaten Unternehmen wächst.
Von einer Beteiligung der sog. Zivilgesellschaft
kann keine Rede sein; kritische Nicht-Regierungs-Organisationen (NGO´s) werden
über sog. Gebühren ferngehalten. Beim letzten WWF, lagen die Preise für Stände auf
der Wassermesse – trotz des Einsatzes von Freiwilligen – um die 25.000 Dollar.
Dazu kam ein Eintrittsgeld von 600 Dollar pro Teilnehmer und die zumeist weite
und teure Anreise. So ist es folgerichtig, dass es sowohl unter den
TeilnehmerInnen als auch auf der Wassermesse kaum VertreterInnen von kleinen
NGO’s zu finden waren und nur vereinzelt politisch oder akademisch
Interessierte. Bereits im Vorfeld werden die TeilnehmerInnen innerhalb eines sog. Registrierungsprozesses auf kritische
Äußerungen in der Presse untersucht (also ich dürfte sicher nicht teilnehmen).
Ein Bericht vom letzten Wasserforum siehe unter: http://www.globalternative.org/de/web/318.htm
Internationale Wasserbewegung
Aber es gibt auch Alternativveranstaltungen,
wie z.B. das „Wassertribunal“, das vor drei Jahren parallel zum WWF in Mexiko zum
ersten Mal tagte und auch in diesem Jahr veranstaltet wurde. Leider (mich
wundert es jedoch nicht) wurde darüber in den Massenmedien nicht berichtet. Auf
diesen Alternativveranstaltungen wird eine wirklich demokratische Alternative
des Umgangs mit Wasser diskutiert. Dort kommen Leute aus der ganzen Welt
zusammen, um Wasser als Gemeinschaftsgut und als öffentlichen Trust zu
verteidigen. Mit einem eigenen Veranstaltungsprogramm, selbstverständlich
außerhalb des offiziellen Programms des WWF, melden sich die Kritiker zu Wort.
Von den Beteiligten des ersten Wassertribunals wurde dies euphorisch als
„echter Durchbruch“ für die Bildung einer internationalen Wasserbewegung
bewertet. Skeptisch muss ich sagen, dass wir von einer echten Wasser-Bewegung
noch weit entfernt sind.
Auch in diesem Jahr versuchten kritische NGO´s,
Globalisierungskritiker, lokale Aktivisten und auch kirchliche Gruppen, mit
Aktivitäten an die Öffentlichkeit zu gehen; so z.B. mit einer großen
Demonstration am Eröffnungstag des WWF. Es sollte ein tatsächlich offener und
öffentlicher Raum geschaffen werden. Was in den Nachrichten davon gezeigt
wurde, war die türkische Polizei, die mit Wasserwerfern gegen die Demonstranten
vorging; kein Wort über die Hintergründe, kein Wort über das Wassertribunal,
kein Wort über die kritisierten türkischen Staudammbau-Projekte an Euphrat und
Tigris, die über 50.000 Menschen die Heimat kosten und unwiederbringliche
Kulturgüter wegschwemmen werden. Kein Wort über den allgemein üblichen Umgang
mit Kritikern in der Türkei.
Neben der Kritik an bestehenden
Versorgungssystemen und an der Verletzung des Menschenrechts auf Wasser durch
Regierungen und private Unternehmen, werden selbstverständlich auch
konstruktive Vorschläge zu Lösungsmöglichkeiten für die globale Wasserkrise
jenseits der vorherrschenden Privatisierungslogik formuliert. Dazu gehören z.B.
Public-Public-Partnerschaften sowie Modelle, die die öffentliche, demokratische Kontrolle staatlicher Versorgungssysteme verankern und damit
Misswirtschaft und Ineffizienz begegnen.
Das von der deutschen Heinrich-Böll-Stiftung
maßgeblich unterstützte „Wassertribunal“ greift als „ethisches Tribunal“
eklatante Fälle von Missbrauch politischer oder merkantiler Macht im Bereich Wasser
aus aller Welt auf. Die Betroffenen erheben vor einer unabhängigen Jury Anklage
gegen, ihrer Meinung, nach erlittene Verletzungen des Menschenrechts auf Wasser
und hoffen zumindest auf eine symbolische Anerkennung ihrer Forderungen. In
einigen Fällen erscheinen die Beklagten persönlich, um ihre Sichtweise
darzulegen, in anderen Fällen äußern sie sich schriftlich. Beim letzten
„Wassertribunal“ wollte der französische Wasserkonzern Suez, der im Falle der Wasserversorgung
in El Alto/Bolivien „angeklagt“ war, nur unter Ausschluss der Öffentlichkeit
erscheinen – eine Forderung, auf die sich weder die Kläger noch die Juroren des
Tribunals einlassen wollten. Verkündet werden die Urteile des Wassertribunals
jeweils zwei Tage vor Ende des Weltwasserforums. Ich bin auch diesmal nicht
gespannt, welche Urteile gefällt werden.
Menschenrecht auf Wasser
Im Laufe der letzten 10 Jahre hat sich gezeigt,
dass die Privatisierungen in allen Bereichen der Daseinsfürsorge ein Desaster
vor allem für die Armen der Welt, aber auch für die Bevölkerungen entwickelter
Länder waren – nie sind die Versprechen der Transnationalen Konzerne erfüllt worden.
Die Privatisierungen der Wasserversorgung haben in ALLEN Ländern, in denen sie
durchgeführt wurden, zu nichts anderem als zu Preisanstiegen, zu schlechten
Versorgungsleistungen und zu Unterbrechungen der Wasserversorgung geführt.
„Jene, die im Weltwasserforum den Ton angeben, müssen gerade den zivilgesellschaftlichen
Gruppen aus der ganzen Welt zuhören, die gegen die korporative Kontrolle von
Wasserressourcen kämpfen“, sagt Tamsyn East von World Development Movement,
eine Organisation die sich vor allem gegenüber europäischen Regierungen gegen
den weltweiten Privatisierungsdruck einsetzt.
Aufgrund der beschriebenen Misserfolge haben
die auf den Alternativveranstaltungen vertretenen Gruppen ein tiefes Misstrauen
gegenüber allen Versuchen, die Kontrolle über Wasser in die Hände transnationaler
Unternehmen, mächtiger Regierungen oder internationaler Organisationen zu
legen. Sie wissen um das Versagen dieser globalen Akteure, das Menschenrecht
auf sicheres, sauberes und erschwingliches Wasser für alle zu sichern. Wir
fordern die Regierungen auf, das Recht auf Wasser nicht zu verletzen. Wir fordern eine Wasserpolitik,
welche die Lebensgrundlagen der zukünftigen Generationen nicht zerstört, welche
das ökologische, soziale, kulturelle und wirtschaftliche Überleben sichert.
Wasser darf nicht an transnationale Konzerne verkauft werden. Wasser ist durch
nichts ersetzbar und notwendig für alles Leben auf diesem Planeten. Die Privatisierung
von Wasser bedeutet eine Machtkonzentration in den Händen der Konzerne, die
nicht hinnehmbar ist.
Wichtige Fragen sind international noch nicht
vollständig geklärt: Wem gehört das Trinkwasser? Soll es privatisiert werden?
Welche Rollen spielen die Regierungen? Wie können wasserarme Länder unterstützt
werden? Aber es gibt bereits Antworten: Dass es möglich ist, die Macht der
Konzerne und der neoliberalen Kampforganisationen Weltbank, IWF und WTO zu
stoppen, hat uns ein kleines, wirtschaftlich fast unbedeutendes, sehr
bedrängtes, aber dennoch mutiges Volk vorgemacht. Uruguay hat als erstes Land
der Welt eine Volksabstimmung über das Wasser organisiert. Jetzt ist das Wasser
nach dem Willen des Volkes als öffentliches Gut für alle in der Verfassung verankert
und die Geschäftemacher bleiben draußen.
In der neuen kolumbianischen Verfassung, die
erst jüngst in einer Volksabstimmung beschlossen wurde, steht: Wir überlassen
den kolonialen, republikanischen und neoliberalen Staat der Vergangenheit. Kolumbien
soll ein „…auf Respekt und Gleichheit gründender Staat, mit Prinzipien der
Selbstbestimmung, Würde, Vervollkommnung, Solidarität, Harmonie und
Gerechtigkeit in der Verteilung und Umverteilung des Sozialproduktes, in dem
das Streben nach dem guten Leben vorherrscht; mit Respekt vor der
wirtschaftlichen, sozialen, rechtlichen, politischen und kulturellen Vielfalt
der Bewohner dieses Landes; im gemeinsamen Zusammenleben mit Zugang zu Wasser,
Arbeit, Bildung, Gesundheit und Heim für Alle“, sein.
Nach der Privatisierung der Wasserversorgung in
Südafrika und den – wie überall gemachten schlechten Erfahrungen – hat die RSA
den Schutz der Wasserressourcen ebenfalls in seine Verfassung aufgenommen. In Spanien
hat die sozialistische Regierung diesen Schritt zwar nicht gemacht, aber die
regierenden Sozialisten haben per Gesetz geregelt, dass es zu Privatisierung
von Wasser nicht kommen darf.
In Deutschland hat die Regierung offenbar noch
nicht begriffen (oder will es nicht begreifen oder ignoriert diese
Entwicklungen), dass die Privatisierung der Daseinsfürsorge und damit die
Privatisierung des Wassers, nicht die Lösung des Problems, sondern das Problem
an sich ist. Nach wie vor strebt die Regierung (offenbar getrieben von im Hintergrund
agierender Lobbyisten der Konzerne) hierzulande Privatisierungen an. Jedoch
werden sich die Politiker in den bevorstehenden Wahlen fragen lassen und Farbe
bekennen müssen. Die Forderungen liegen auf dem Tisch:
> Die Wasserwirtschaft muss in kommunaler Hand
und somit unter öffentlicher Kontrolle bleiben.
> Der Paragraf 103 im Gesetz gegen
Wettbewerbsbeschränkungen, der den Gemeinden ein Gebietsmonopol hinsichtlich
der Wasserversorgung garantiert, muss bestehen bleiben.
> Darüber hinaus muss die bereits 1996 erfolgte
Ergänzung des §18 a Abs.2 Wasserhaushaltsgesetz rückgängig gemacht werden. Erst
seit dieser Gesetzesänderung ist es den Gemeinden möglich, die Wasserversorgung
an Dritte abzutreten
> Bisherige Privatisierungsmaßnahmen sind
rückgängig zu machen (z.B. per Verfassungsklagen).
Schlusswort
Wasser ist das existentiell notwendigste und
wichtigste Versorgungsgut des Menschen. Wasser ist keine Handelsware. Wasser
ist anders! Genau aus diesem Grund gehört die Trinkwasserversorgung zum Bereich
der öffentlichen Daseinsvorsorge. In fast allen volkswirtschaftlichen Lehrbüchern
ist dieser Sachverhalt unter „Wettbewerbspolitischen Ausnahmebereichen"
oder dem Begriff des „Öffentlichen Monopolunternehmens" (Natürliches
Monopol) nachzulesen. Öffentliche Monopolunternehmen sollen ein
flächendeckendes Angebot mit wichtigen Versorgungsgütern der Haushalte und anderer Unternehmen liefern. Deshalb
unterliegen öffentliche Monopolunternehmen Regelungen eines Kontrahierungszwangs
und verpflichtender Lieferungskonditionen, um eine allgemeine Sicherheit und
Qualität der Leistungen zu gewährleisten, unabhängig von unterschiedlichen
regionalen Bedingungen. Ferner wird eine potentielle Konkurrenz
privatwirtschaftlicher Unternehmen verhindert (Ausschluss von Marktzutritten).
Anschließend wird in den Lehrbüchern ökonomisch
begründet, dass es – aufgrund der besonderen Markt- und Kostenstruktur dieser
natürlichen Monopole – zu Marktfehlern, Marktversagen, Problemen der Preisgestaltung
käme, wenn sie durch private Monopole ersetzt würden; und das ist bei der
Liberalisierung der Trinkwasserversorgung in der Regel der Fall. Insofern haben
öffentliche Monopole in einer auf marktwirtschaftlichen Prinzipien basierenden
Gesellschaftsordnung nicht nur ihre Berechtigung, sondern eine notwendige ökonomische Funktion. Es gibt
nur einen einzigen Grund, der für alle Liberalisierungs- und Privatisierungsbestrebungen
gilt, und der heißt: Profitmacherei zu Lasten der Menschen und der
Umwelt. Also Hände weg von unserem Wasser! Der Zugang zu Wasser ist ein
Menschenrecht.
Wilfried John
Weitere Informationen unter:
http://www.boell.de/weltweit/europan...ologie-6363.html
Weitere Informationen unter:
http://www.boell.de/weltweit/europan...ologie-6363.html
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