Die Ökonomie des Krieges – Oder warum Kriege nicht enden… Teil 3 – Der Dieb von Bagdad
Die Ökonomie des Krieges – Oder warum Kriege
nicht enden…
Teil 3 – Der Dieb von Bagdad
Teil 3 – Der Dieb von Bagdad
„Der Krieg hat einen langen Arm. Noch lange nachdem er vorbei ist,
holt er sich seine Opfer.“
Martin Kessel
Paul Bremer gegen die Irakischen Bauern
Kurz
nachdem Bush jun. auf einem Flugzeugträger das Ende des Krieges proklamiert
hatte, begann die US-Regierung bereits damit, Aufträge für den Wiederaufbau des
Irak zu vergeben. Interessant für die us-amerikanischen und britischen
Unternehmen, die dann bevorzugt zum Zug kommen werden, war etwa die Wiederherstellung und Modernisierung der
Anlagen für die Erdöl-Förderung und - Verarbeitung.
Zufälligerweise
hat Dick Cheney (dem man nachsagt, er habe George W. Bush den
Irak-Krieg eingeredet) just ein us-amerikanisches Unternehmen bis zu seiner
Ernennung als US-Vizepräsident geleitet, das davon besonders profitieren
könnte: Den Ölservice-Gigant Halliburton Inc. und seine Tochterunternehmen.
Das
bezeichnet man in den entsprechenden Kreisen mit "Windfalls of War",
also Fallobst des Krieges und ich erspare es mir an dieser Stelle über weitere
einzelne Profiteure zu schreiben. Viel sinnvoller ist es nämlich, über das
dahinterstehende System zu schreiben, da es sich bei diesem System eben um
genau jenes handelt, dem auch wir unterworfen zu sein scheinen; ich schreibe
absichtlich „scheinen“, weil wir es tatsächlich (noch) nicht sind. Dieses
System sind die neoliberalistisch geprägten Jongleure des internationalisierten
Finanzkapitals; kurz der Neoliberalismus.
So,
nun glaubt mancher – ob des oben Beschriebenen – vielleicht, dass man nun alles
was man hatte haben wollen, auch tatsächlich hatte… weit gefehlt. Wie schrieb
ich oben? Immer wenn man glaubt es geht nicht mehr schlimmer, kommt es dann
noch viel perverser. Geht nicht? Geht nicht, gibt es nicht… für die Raffgier
der Global-Player. Jetzt wird es erst so richtig schön obszön und wenn sich
schon mal jemand vergeblich zu erklären versuchte, was Neoliberalismus ist oder
noch einmal einen Beleg dafür braucht; bitte schön, hier ist er:
Dem
Irak wurde von Washington eine "strukturelle Anpassungspolitik" aufgebrummt;
ganz nach der berüchtigten Methode "Schocktherapie", wie sie
seinerzeit in Russland schon angewendet wurde. Und genau dieselbe
"strukturelle Anpassungspolitik", wie sie sich vor wenigen Jahren in
Argentinien schon als verheerend erwiesen hat. Allerdings sind die beiden
genannten Beispiele, im Vergleich zu dem was da im Irak veranstaltet wurde und
wird, Kinderkram.
Washington
und London ordneten kurz nach der Beendigung des Krieges im Frühjahr 2003 den
Aufbau einer sog. Zivilverwaltung im Nachkriegsirak an. Als Chef dieser
Zivilverwaltung wurde von Bush jun. ein gewisser Paul Bremer
durchgesetzt (was auch zeigt, dass in einer Allianz der Willigen nur einer was
zu wollen hat, die anderen aber zu folgen haben). Vordergründig hatte er den
Auftrag, im Irak erste Wahlen für eine Übergangsregierung zu organisieren. Aber
vorsorglich wurde der neue Zivilverwalter des Irak jedoch nicht etwa dem
Außenministerium von Colin Powell, sondern dem Verteidigungsministerium
von Donald Rumsfelds unterstellt.
So blieb auch der eigentlich zivile Auftrag Bremers unter strenger Kontrolle des Pentagon. Binnen kürzester Zeit jedoch hat Bremer den ursprünglichen Plan über den Haufen geworfen und stattdessen ein handverlesenes Beraterteam ernannt; schwer vorstellbar, dass er das völlig eigenmächtig tun konnte. Wahrscheinlich war das auch überhaupt nicht die eigentliche Aufgabe. Wie heißt es so schön? An ihren Taten sollt ihr sie erkennen. Die Demokratisierung spielte für Bremer nie eine Rolle, aber er funktionierte prima und es stellte sich heraus, dass man den richtigen Mann bestellt hatte: Den US-amerikanischen Multis wurde in Bagdad der rote Teppich ausgerollt.
So blieb auch der eigentlich zivile Auftrag Bremers unter strenger Kontrolle des Pentagon. Binnen kürzester Zeit jedoch hat Bremer den ursprünglichen Plan über den Haufen geworfen und stattdessen ein handverlesenes Beraterteam ernannt; schwer vorstellbar, dass er das völlig eigenmächtig tun konnte. Wahrscheinlich war das auch überhaupt nicht die eigentliche Aufgabe. Wie heißt es so schön? An ihren Taten sollt ihr sie erkennen. Die Demokratisierung spielte für Bremer nie eine Rolle, aber er funktionierte prima und es stellte sich heraus, dass man den richtigen Mann bestellt hatte: Den US-amerikanischen Multis wurde in Bagdad der rote Teppich ausgerollt.
Und
folgerichtig äußerte sich Bush jun. nach einem Treffen mit Bremer in Katar
rundum zufrieden. Vom ersten Tag an, seit der neue Statthalter am 12. Mai in
Bagdad eingetroffen war, betrieb er entschlossen die Demontage des öffentlichen
Sektors; das war sein Auftrag. Was nun folgte mit einer sog. feindlichen
Übernahme zu vergleichen, wäre schamlos untertrieben, da bei einer feindlichen
Übernahme der Übernommene noch entschädigt wird. Was nun folgte war Okkupation.
Paul
Bremer verordnete dem Irak während der ersten Monate (!) seiner 14 monatigen
Amtszeit das komplette neoliberale Programm, das gerne auch Reformen genannt
wird: Den Verkauf aller (!) Staatsbetriebe. Zwar wurde offiziell die
Gleichbehandlung von ausländischen und inländischen Unternehmen postuliert,
aber offen us-amerikanische Unternehmen bevorzugt. So bekamen die
us-amerikanischen Multis, die gesamte Wirtschaft des Irak, für ein – für ihre
Verhältnisse – „kleines Geld“ in die Hand.
Gleichzeitig
senkte Bremer den Spitzensteuersatz auf 15%, so dass die neuen Eigentümer von
den reichlich sprudelnden Profiten kaum etwas abgeben mussten. Obendrein
schaffte er sämtliche Importbeschränkungen ab, was der einheimischen Wirtschaft
den Rest gab. Bereits am 26. Mai erklärte Bremer, der Irak sei jetzt "open
for business" (man beachte, am 12. Mai hatte er sein Amt angetreten) Bremer
entließ „sehenden Auges“ Millionen Iraker in die Arbeitslosigkeit, ohne jede
Altersversorgung oder ein neues Beschäftigungsangebot. Mit dem vorgeschobenen
Argument, die Anhänger von Saddam Husseins Baath-Partei aus den Ämtern zu
entfernen (was man ja noch befürworten kann – wiewohl es ein ähnlich
aussichtsloses Unterfangen war, wie seinerzeit in Deutschland alle NSDAP-Mitglieder im öffentlichen Dienst
zu eliminieren), startete Bremer einen umfassenden Angriff auf den irakischen
Staat als solchen.
Er
entließ alle; auch die kleinsten Angestellten, die keinerlei Verbindungen zur
Baath-Partei hatten und besonders die Mitarbeiter der Medien. In dem Maße, in
dem die Bush-Administration immer offener den Plan betrieb, auch einige
Bereiche des öffentlichen Dienstes zu privatisieren, gewinnt die von Bremer
betriebene Entbaathifizierung eine ganz neue Bedeutung. Indem Bremer die
öffentliche Hand handlungsunfähig machte, trieb er zugleich den öffentlichen
Sektor insgesamt us-amerikanische Privatunternehmen in die Arme; Krankenhäuser,
Schulen und selbst die Armee waren nun für die Übernahme durch Privatfirmen
(natürlich aus USA) reif.
Präsident
Bush jun. hält
Bremer für einen "Machertypen". Damit liegt er völlig richtig. Aber
was ist mit den Wahlen, die er hat „machen“ sollen? Nun, bei den – bereits
getroffenen und noch geplanten – Maßnahmen stört doch eine demokratisch
gewählte Regierung nur! Also hat Bremer dafür gesorgt, dass es keine
unerfreuliche Einmischung seitens der irakischen Regierung geben kann – weil es
nämlich in der kritischen Phase, in der alle wichtigen Entscheidungen fallen, überhaupt keine
irakische Regierung geben wird.
Damit
ist Bremer so etwas wie der Ein-Mann-IWF für den Irak (schönen Gruß an den
amtierenden Bundespräsidenten der BRD, der einmal Chef dieser kapitalistischen
Kampforganisation war). Dass Bremer kein Experte für den Irak oder den Nahen
Osten ist, tut nichts zur Sache. Er ist ein Experte für die Kunst, den Krieg gegen
den Terror profitabel zu machen und den US-Multis – unter dem Schutz der Besatzung
durch die us-amerikanische Armee – zu helfen, auch in entfernten Ecken der
Welt, wo sie ebenso unbeliebt wie unwillkommen sind, überdurchschnittliche
Gewinne zu erzielen. Kein Zweifel: Paul Bremer war der ideale Mann für seinen
Job.
Aber
damit nicht genug. Im März 2005 erließ Bremer – der auch der Beauftragte für
den sog. Wiederaufbau des Irak war – die "Order 81". In dieser Order
findet sich das Konzept der US-Regierung für die irakische Landwirtschaft; es
trägt den Titel: „Gesetz über Patente, Industriemuster, unveröffentlichte
Informationen, integrierte Schaltkreise und Pflanzensorten“. Diese Order zwingt
die Bauern dazu, nur noch industriell entwickeltes, gentechnisch manipuliertes
und patentiertes Saatgut vom Unternehmen Monsanto zu verwenden. In jener
Weltgegend, in der Kulturhistoriker die Wiege der Landwirtschaft sehen, die mit
der Kultivierung von Weizen begann, in jener Weltgegend also, sollen die
irakischen Bäuerinnen und Bauern zukünftig daran gehindert werden, ihre uralten
Saaten und Kulturpflanzen anzubauen.
Die
Order 81 erklärt die seit Jahrtausenden gepflegte Tradition von Nachbau und
Saatguttausch de facto für illegal. Die traditionelle Vielfalt der
Kulturpflanzen im Irak, die sich über Tausende von Jahren entwickelt hat, ist
nicht nur ein Vermächtnis und Rechtsgut der irakischen Bauern; sondern ein
Vermächtnis der Menschheit, weil es den Gen-Pool der Getreidearten enthält, die
der Menschheit zur Verfügung stehen.
Mit
der sog. Nahrungsmittelhilfe wurden 56.000 Tonnen patentgeschütztes und
genmanipuliertes Saatgut ins Land gebracht – bei dessen Wideraussaat muss der
Bauer Lizenzgebühr zahlen. Nach Gerichtsbeschluss können sogar die
Erntewerkzeuge konfisziert werden und die Ernte vernichtet werden, wenn der
Bauer die Zwangsgebühr nicht zahlt. Die neue irakische Regierung wurde in die Rechtsnachfolge
der sog. Zivilverwaltung gezwungen… alle von der Zivilverwaltung erlassenen Gesetze,
alle geschlossenen Verträge und Abkommen, behielten nach der Wahl ihre Gültigkeit.
Eigentlich
müsste Paul Bremer vor Gericht erscheinen. Zum zweiten Mal hat ein
Verwaltungsgericht in Bagdad sein persönliches Erscheinen angeordnet. Beim
ersten angesetzten Termin fehlte der oberste US-Verwalter im Irak
unentschuldigt. Ob er jemals der gerichtlichen Anordnung folgt, ist zu
bezweifeln. Zur Anhörung vor dem Verwaltungsgericht steht eine Klage des
"Iraqi Press Syndicate" (IPS), das die Schließung des
"Informationsministeriums" rückgängig machen möchte. Im Mai 2003
hatte Paul Bremer im Zuge der "De-Baathifizierung" das Militär sowie
alle anderen parteinahen Institutionen aufgelöst und rund 10 Millionen Iraker
arbeitslos gemacht.
Wilfried
John
Ein Teil
des Textes ist die Einleitung meiner Rezension des Titels „Guten Abend ihr Dinge
hier unten“ von António Lobo Antunes – erschienen unter
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